Rechtsprechung Bayern

Erschließungsbeitrag: Erfordernis der vollständigen straßenrechtlichen Widmung

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat sich in dem unten vermerkten rechtskräftigen Urteil vom 23.3.2023 eingehend mit den erschließungsbeitragsrechtlichen Folgen eines Widerspruchs zwischen Widmungsverfügung und Bestandsverzeichnis beschäftigt.

Die beklagte Stadt hatte zwischen 1991 und 2001 die Z.-straße zur Erschließung eines Industriegebiets auf vier Buchgrundstücken (A, B, C und D) hergestellt und nach Bepflanzung der Randstreifen mit Bäumen (2009 bis 2012) die Anlieger zu Erschließungsbeiträgen herangezogen. Sie hatte die Widmung als Ortsstraße erstmals 1996 in ihrem Amtsblatt bekanntgemacht. Es fehlte allerdings ein entsprechender Stadtratsbeschluss, weshalb die Widmung auf der Grundlage eines am 28.10.2015 nachgeholten Stadtratsbeschlusses wiederholt wurde. Diese im Amtsblatt am 12.11.2015 bekanntgemachte Widmung benennt als Widmungsgegenstand – ebenso wie bereits die 1996 erfolgte Bekanntmachung – nur das Grundstück A. Mit diesem Inhalt war die Straße zunächst im Bestandsverzeichnis geführt. Später wurden als redaktionelle Änderung ohne Stadtratsbeschluss die drei weiteren, das Straßenbegleitgrün bildenden Grundstücke B, C und D in das Bestandsverzeichnis aufgenommen.

Die Klägerin wehrte sich gegen die Beitragserhebung und rügte unter anderem, die Z.-straße sei nicht ordnungsgemäß gewidmet. Ihre Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg. Der VGH hob den Beitragsbescheid auf. Seiner Entscheidung entnehmen wir:

1. Widmung als Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten

Zu den rechtlichen Anforderungen führt der VGH aus:

„Erschließungsbeitragsfähig sind zum Anbau bestimmte Straßen, wie die in Streit stehende Z.-straße, gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB (Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG a.F.) nur, wenn sie öffentlich sind. Die Öffentlichkeit einer Erschließungsanlage ist Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten, selbst wenn sie bereits endgültig hergestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2011 – 6 CE 10.2875 – juris Rn. 13).

Das gesetzliche Merkmal ,öffentlich‘ ist bei Verkehrsanlagen straßenrechtlich zu verstehen. Dass die Öffentlichkeit tatsächlich zugelassen ist, genügt nicht. Denn die Verkehrsanlage muss der Allgemeinheit rechtlich gesichert und privatrechtlicher Verfügungsmacht entzogen zur Verfügung stehen, um einen beitragsrelevanten Sondervorteil auslösen zu können. Die Eigenschaft ,öffentlich‘ erhalten Straßen (Wege, Plätze) demnach dadurch, dass sie nach dem einschlägigen Straßengesetz, hier nach Art. 6 BayStrWG, wirksam für den öffentlichen Verkehr gewidmet werden oder kraft Gesetzes als gewidmet gelten.

Das bloße Vorhandensein einer förmlichen straßenrechtlichen Widmung reicht allerdings nicht aus. Sie muss sich in räumlicher Hinsicht auf alle Teile der Verkehrsanlage und ihre gesamte Ausdehnung in Länge und Breite beziehen. Erst wenn die Straße vollständig gewidmet ist oder als gewidmet gilt, stellt sie eine öffentliche Einrichtung dar, für die Erschließungsbeiträge erhoben werden dürfen (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2016 – 6 B 16.978 – BayVBl 2017, 418 Rn. 18; NdsOVG, B.v. 4.3.2016 – 9 LA 154/15 – juris Rn. 39).

Die Widmung erfolgt in der Regel durch eine förmliche Widmungsverfügung, einer Allgemeinverfügung im Sinn des Art. 35 Satz 2, Alt. 2 BayVwVfG, die in einem formalisierten Verfahren der Allgemeinheit bekannt zu machen ist (Häußler in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Art. 6 Rn. 1). Einer bestandskräftigen Widmungsverfügung kommt für das beitragsrechtliche Verfahren grundsätzlich Tatbestandswirkung zu (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2014 – 6 ZB 13.1050 – juris Rn. 5); das bedeutet, dass Behörden und Gerichte an die Existenz und den Inhalt einer wirksamen unanfechtbaren Widmung gebunden sind.“

[…]

Den vollständigen Beitrag entnehmen Sie der Gemeindekasse Bayern Heft 7/2024, Rn. 57.