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Gericht weist Klage auf Aufhebung von Rundfunkbeitragsbescheiden ab

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§§ 58, 68, 69, 70, 137,144 VwGO; § 41 VwVfG (Widerlegung; Bekanntgabevermutung; Bestreiten des Zugangs eines Verwaltungsakts)

Amtliche Leitsätze:

  1. Einfaches Bestreiten reicht grundsätzlich aus, um Zweifel am Zugang eines Verwaltungsakts im Sinne des § 41 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VwVfG darzulegen.
  1. Bestreitet der Adressat den Zugang, sind die Glaubhaftigkeit seines Vortrags und seine Glaubwürdigkeit zu würdigen. Die ungewöhnlich hohe Anzahl vermeintlich nicht zugegangener Schreiben, für die es keine Erklärung gibt, reicht für sich genommen nicht aus, um von einer Schutzbehauptung auszugehen. Sie bietet aber einen Anlass für die Suche nach weiteren Anhaltspunkten in dieser Richtung.

BVerwG, Urteil vom 29.11.2023, 6 C 3.22

Zum Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Aufhebung von Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheiden. Im Zuge der Einführung des Rundfunkbeitrags erhielt der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio – im Folgenden Beitragsservice – im Oktober 2013 durch einen Mel- dedatenabgleich nach § 14 Abs. 9 RBStV Kenntnis von der Adresse des Klägers in Berlin-Friedrichshain, R-Straße 1. Daraufhin schrieb er den Kläger unter dieser Anschrift mehrmals zum neuen Rund- funkbeitrag an. Nachdem der Beitragsservice im Februar 2014 von der Weiterleitung eines Schreibens infolge eines Nachsendeauftrags an die neue Adresse des Klägers in Hoyerswerda erfahren hatte, änderte er die Anschrift. Er teilte dem Kläger unter dem 14. März 2014 mit, zum 1. Februar 2014 eine Anmeldung seiner neuen Wohnung in Hoyerswerda vorgenommen zu haben. In der Folge erinnerte er ihn mit Schreiben vom 4. April und 1. Juni 2014 vergeblich an die Zahlung der Rundfunkbeiträge.

Sodann setzte der Beklagte die für den Zeitraum von Februar bis April 2014 rückständigen Rundfunkbeiträge in Höhe von 53,94 Euro zuzüglich 8 Euro Säumniszuschlag – insgesamt 61,94 Euro – durch Bescheid vom 1. August 2014 fest. Ebenso verfuhr er mit den offenen Beiträgen für die Zeiträume Mai bis Juli 2014, August bis Oktober 2014 sowie November 2014 bis Januar 2015, für die er mit Beitragsbescheiden vom 1. September und 1. November 2014 sowie vom 2. Februar 2015 jeweils 61,94 Euro festsetzte. Für den Zeitraum Februar bis April 2015 erließ der Beklagte am 1. Mai 2015 einen die Rundfunkbeiträge in Höhe von 53,46 Euro nebst 8 Euro Säumniszuschlag festsetzenden Bescheid.

Parallel zu diesen Bescheiden mahnte der Beklagte den Kläger mehrfach erfolglos (Schreiben vom 2. Januar, 1. April sowie 2. Juli 2015). Mit Schreiben vom 1. August 2015 ersuchte der Beklagte das Amtsgericht Hoyerswerda um die Zwangsvollstreckung der bis Juli 2015 offenen Rundfunkbeiträge beim Kläger.

Am 1. August und 2. November 2015 erließ der Beklagte weitere Festsetzungsbescheide in Höhe von jeweils 52,50 Euro zuzüglich 8 Euro Säumniszuschlag für die Zeiträume Mai bis Juli sowie August bis Oktober 2015.

In dem Verwaltungsvorgang des Beklagten ist weder ein Rücklauf dieser Bescheide noch der genannten übrigen Anschreiben vermerkt. Zu den Bescheiden enthält der Vorgang jeweils einen Ausdruck des Historiensatzes mit Angaben zum Forderungszeitraum, dem Postauflieferungsdatum, der Sendungs- und Entgeltabrechnungsnummer sowie dem DMC (sog. Data Matrix Code).

Im Vollstreckungsverfahren wandte sich der Gerichtsvollzieher an den Kläger. Er informierte ihn darüber, von dem Beklagten mit der Vollstreckung offener Forderungen beauftragt worden zu sein, und forderte ihn zur Zahlung auf. Daraufhin teilte der Kläger dem Gerichtsvollzieher schriftlich mit, ihm seien keine Forderungen des Gläubigers bekannt. Er bekräftigte dies am 11. Januar 2016 durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in dem Vollstreckungserinnerungsverfahren beim Amtsgericht Hoyerswerda.

Auf die Bitte des Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte der Beklagte Kopien der sieben Festsetzungsbescheide sowie der Mahnungen vom 2. Januar, 1. April und 2. Juli 2015, die

dort am 19. April 2016 eingingen. Am 19. Mai 2016 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Festsetzungsbescheide. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2016 wies der Beklagte den Widerspruch wegen Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO als unzulässig zurück.

Die auf Aufhebung der Festsetzungsbescheide gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. Mai 2021 zurückgewiesen.

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern, Heft 10/2024, Seite 346.