Rechtsprechung Bayern

Erschließungsbeitrag: Herstellung einer Anbaustraße

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Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 14.3.2024 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der seit längerer Zeit vorhandene W.-weg wurde von der beklagten Gemeinde aus ihrer Sicht im Jahr 2020 als Erschließungsanlage (Anbaustraße nach Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) erstmalig und endgültig fertiggestellt. Dabei verblieb – nach erfolglosen Grundstücksverhandlungen – eine Engstelle, an der die Fahrbahn nur 2,90 m breit ist. Der Gemeinderat fasste am 12.1.2021 einen bebauungsplanersetzenden Abwägungsbeschluss für den W.-weg und, nachdem Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit geäußert worden waren, am 26.7.2022 einen „Klarstellungsbeschluss“. Die Gemeinde zog den Kläger mit Bescheid vom 24.3.2021 als Miteigentümer eines Anliegergrundstücks zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 8.044,87 € heran. Dessen Klage wurde vom Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Der VGH lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Seiner Entscheidung entnehmen wir:

1. Rechtmäßige Herstellung einer Erschließungsanlage im unbeplanten Innenbereich

Allgemein führt der VGH hierzu aus:

„Liegt, wie hier, ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen Erschließungsanlagen gemäß § 125 Abs. 2 BauGB nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Es bedarf hierfür einer sogenannten bebauungsplanersetzenden Abwägungsentscheidung, die in die Zuständigkeit des Gemeinderats fällt und für die keine besonderen formellen Anforderungen gelten (vgl. Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 10 m.w.N.). Wegen der bebauungsplanersetzenden Wirkung der Abwägungsentscheidung ist allerdings ein – aktiver – Planungsakt erforderlich, der in geeigneter Form dokumentiert sein muss (BayVGH, U.v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621) – juris Rn. 41; B.v. 3.5.2011 – 6 ZB 10.909 – juris Rn. 6; B.v. 27.3.2007 Az. 6 ZB 05.2456 – juris – Rn. 7). Inhaltlich muss diese Abwägungsentscheidung an denselben Maßstäben ausgerichtet sein, wie die entsprechende Festsetzung in einem Bebauungsplan …“

2. Abwägungsentscheidung bei einer Anbaustraße mit Engstelle

Nach Auffassung des VGH genügt der Abwägungsbeschluss des Gemeinderats vom 12.1.2021 den rechtlichen Anforderungen und trägt inhaltlich den W.-weg mit der Engstelle:

„Der Abwägungsbeschluss geht davon aus, dass es sich bei dem W.-weg um eine bereits seit längerem bestehende Straße handele, die beidseitig bebaut sei. Der Straßenverlauf sei durch die Bebauung im Wesentlichen vorgegeben. Der Ausbau erfolge auf der vorhandenen Trasse. Grunderwerbungen seien nur in geringem Umfang erforderlich. Der Ausbau solle mit einer Fahrbahnbreite von rund 4 bis 6 m erfolgen und beinhalte einen barrierefreien Multifunktionsstreifen. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Ziel- und Quellverkehrs sei ein Ausbau in dieser Breite erforderlich, aber auch ausreichend. Hiervon ausgehend stellt der Gemeinderat fest, dass die Straßenbaumaßnahme mit den öffentlichen und den privaten Belangen in Einklang stehe.

Das Verwaltungsgericht ist unter Heranziehung aller übrigen Unterlagen und Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass dem Gemeinderat bei Beschlussfassung im Januar 2021 die ,Engstellenproblematik‘ bewusst gewesen sei und dass er die bisherige Trassenführung im Ausbauzustand 2020 abgewogen und insbesondere trotz der Engstelle als nachbarverträglich angesehen habe.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese gerichtliche Auslegung nicht zu beanstanden. Der Zulassungsantrag wendet ohne Erfolg ein, der Verfahrensablauf und die Vorgeschichte würden im Gegenteil belegen, dass die Engstellenproblematik zum einen bekannt gewesen sei und zum anderen die Beklagte zur Behebung dieser Problematik einen Grunderwerb konkret beabsichtigt und als erforderlich angesehen habe. Sie habe bereits im Jahr 2001 versucht, den für einen sachgerechten Ausbau erforderlichen Grund zu erwerben. Mit Schreiben vom 30.4.2001 habe sie sich an Anlieger wegen der Straßengrundabtrennung für den W.-weg gewandt und dabei auf eine Besprechung im Bauamt im Jahr 2000 Bezug genommen, in der es um den Grunderwerb gegangen sei. Daher sei die vom Verwaltungsgericht gezogene Schlussfolgerung, die Beklagte habe die bisherige Trassenführung des W.-wegs dennoch als nachbarverträglich angesehen, spekulativ.

Damit setzt der Zulassungsantrag der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung lediglich seine eigene Bewertung des Gemeinderatsbeschlusses entgegen, ohne aber damit ernstliche Zweifel darzulegen …

Der Zulassungsantrag lässt mit seiner Argumentation zudem außer Acht, dass die angeführten Schreiben aus dem Jahr 2001 stammen, also zeitlich lange zurückliegen. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung, wonach dem Gemeinderat der Beklagten die ,Engstellenproblematik‘ bewusst gewesen war und er die bisherige Trassenführung des W.-wegs dennoch als nachbarverträglich angesehen habe, ausführlich und unter Bezugnahme auf aktuelle Unterlagen begründet.

Hierbei hat es gewürdigt, dass sich im Abwägungsbeschluss die Formulierung findet, der Ausbau solle ,mit einer Fahrbahnbreite von rund 4 bis 6 m erfolgen‘. Es hat diese als missverständlich bezeichnet, es aber nicht bei dieser Feststellung belassen. Vielmehr hat es sich unter Heranziehung aller übrigen Unterlagen und Umstände, insbesondere auch der Vorplanung, eine Überzeugung dahingehend gebildet, dass sich der Gemeinderat im Rahmen der Abwägung hinreichend mit den örtlichen Verhältnissen auseinandergesetzt hat.

In der vom Verwaltungsgericht zitierten Vorplanung für die Baumaßnahmen am W.-weg … wird ausgeführt, dass es … wegen der Eigentumsverhältnisse nicht möglich sei, durchgehend Regelfahrbahnbreiten einzuhalten, und in Abstimmung mit der Gemeinde festgelegt worden sei, die Fahrbahnbreiten bestandsorientiert ohne zusätzlichen Grunderwerb festzulegen …

Diese Vorplanung hat der Haupt- und Bauausschuss der Beklagten mit Beschluss vom 14.10.2019 zur Kenntnis genommen und ihr auch zugestimmt. Warum die Schreiben aus dem Jahr 2001 belegen sollen, dass die Beklagte bei der Planung der Erschließungsanlage und schließlich bei der Beschlussfassung durch den Gemeinderat im Jahr 2021 noch einen Grunderwerb zur Beseitigung der Engstelle beabsichtigt und hier ein Problem fehlender Nachbarverträglichkeit gesehen haben soll, erschließt sich nicht. Gerade aufgrund der konkreten Vorplanung, die von der Beklagten beauftragt wurde, und der dort auch protokollierten Absicht der Beklagten, keinen Grunderwerb mehr ins Auge zu fassen, ist es nachvollziehbar, wenn das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommt, der Gemeinderat der Beklagten habe bei seinem Abwägungsbeschluss vom 12.1.2021 die Engstellenproblematik gesehen und eine Nachbarverträglichkeit angenommen.“

[…]

Anmerkung:

Zum Erschließungsbeitragsrecht sei auf die Rechtssammlungen von Bedane/Apfelbeck und Baumann/Wölfl hingewiesen. Näheres erfahren Sie unter www.boorberg.de.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14.3.2024 – 6 ZB 24.150

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Gemeindekasse Bayern 22/2024, Rn. 198.