Rechtsprechung Bayern

Ersatzpflanzungsauflage

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Art. 14 GG; Art. 12 BayNatSchG (1998) (Anfechtungsklage gegen Ersatzpflanzungsauflage auf der Grundlage einer kommunalen Baumschutzverordnung bei Erteilung einer Fällgenehmigung von als nicht erhaltungswürdig angesehenen Bäumen; Verhältnismäßigkeitsanforderungen an die Anordnung von Ersatzpflanzungen; Gebot einer einheitlichen Bewertung des Vitalitätszustandes bei Fällgenehmigung und Ersatzpflanzungsauflage)

Amtliche Leitsätze:

1. Wird eine Baumfällung wegen fehlender Erhaltungswürdigkeit der Bäume genehmigt, ist diese Wertung auch für eine daran anknüpfende Ersatzpflanzungsauflage und die dafür erforderliche Einzelfallprüfung maßgeblich.

2. In die Einzelfallprüfung für eine Ersatzpflanzungsauflage hat im Hinblick auf Art. 14 GG die Frage der Verhältnismäßigkeit, insbesondere Zumutbarkeit, einzufließen; Bedeutung erlangen können aber auch Folgenbeseitigungsaspekte, insbesondere soweit nachweislich das Verhalten des Grundeigentümers dazu geführt hat, dass ein geschützter Baum die Endphase seiner biologischen Existenz erreicht hat.

BayVGH, Urteil vom 24.07.2024, 14 B 22.2576

(nicht rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Der Fall betrifft eine naturschutzrechtliche Ersatzpflanzungsauflage, die die beklagte Stadt N anlässlich einer von ihr dem Kläger bestandskräftig genehmigten Baumfällung diesem auferlegt hat. Es geht um die Frage, ob die Stadt aufgrund ihrer auf das Bayerische Naturschutzgesetz (a. F.) gestützten Baumschutzverordnung vom Kläger verlangen kann, einen Laubbaum auf eigene Kosten zu pflanzen als Ersatz für zwei Fichten, deren Fällung die Stadt dem Kläger aufgrund der städtischen Baumschutzverordnung genehmigt hat, wobei die Fällung dieser Fichten gerade deshalb genehmigt worden war, weil die Fichten im Zeitpunkt ihrer Fällung erhebliche Vitalitätsmängel aufwiesen und auch nach Ansicht der Stadt nicht erhaltungswürdig waren.

Die nach ihrem § 1 Abs. 1 für sämtliche im Zusammenhang bebauten Ortsteile des Stadtgebiets geltende städtische Baumschutzverordnung vom 24. April 1999 (in der geänderten Fassung vom 15.11.2001; BaumSchVO) bestimmt unter anderem:

§ 2 Schutzzweck

Der Baumbestand des in § 1 Abs. 1 genannten Geltungsbereiches wird geschützt, um

1. eine angemessene Durchgrünung der bebauten Gebiete der Stadt zu gewährleisten, das Straßen- und Ortsbild zu beleben und die Lebensqualität der Bürger zu erhöhen;

2. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhöhen und Lebensraum für wildlebende Tiere sicherzustellen;

3. das Kleinklima günstig zu beeinflussen, die Reinhaltung der Luft zu fördern und schädliche Umwelteinwirkungen zu mildern;

4. die Vielzahl von Pflanzen in der Stadt unter Berücksichtigung ihrer Seltenheit, Eigenart und Schönheit zu fördern.

§ 3 Verbote

(1) Es ist verboten, geschützte Bäume und Ersatzpflanzungen sowie Teile von ihnen

1. zu entfernen, insbesondere zu fällen, abzuschneiden, abzubrennen oder zu entwurzeln;

§ 4 Genehmigung

Handlungen nach § 3 Abs. 1 gelten als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 vorliegen oder können von der Stadt als Untere Naturschutzbehörde gemäß § 5 Abs. 4 oder 5 unter Nebenbestimmungen genehmigt werden, wenn

5. überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Maßnahme erforderlich machen;

6. die Erhaltung eines Baumes wegen Erkrankung oder anderer Schäden mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist

und die Maßnahme mit den öffentlichen Belangen im Sinne dieser Verordnung, insbesondere mit den in § 2 angeführten Schutzzwecken, vereinbar ist.

§ 5 Verfahren

(3) Die Stadt bestätigt den Eingang der Anzeige, wenn alle Unterlagen nach Abs. 1 vorliegen. Die Maßnahme darf einen Monat nach dem von der Stadt bestätigten Eingangstermin ausgeführt werden, es sei denn, die Stadt hat bereits vorher mitgeteilt, daß sie die Maßnahme nicht untersagen wird.

(4) Beabsichtigt die Stadt, die Maßnahme zu untersagen oder nur unter Nebenbestimmungen zu genehmigen, so teilt die Stadt dies rechtzeitig vor Ablauf der in Abs. 3 Satz 2 genannten Frist mit; Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz ist dann nicht anzuwenden. Die Maßnahme darf erst ausgeführt werden, wenn eine Genehmigung erteilt worden ist.

§ 6 Ersatzpflanzungen

(1) Die Stadt kann die Genehmigung nach § 5 Abs. 4 oder 5 für die Entfernung von Bäumen unter der Auflage erteilen, daß durch die Anpflanzung von Bäumen ein angemessener Ersatz für die eintretende Bestandsminderung geleistet wird. Dabei können Pflanzenart und Pflanzfristen näher bestimmt werden.

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten. Auf dem Grundstück befanden sich ursprünglich zwei Fichten. Der Zustand dieser Fichten hatte sich im Verlauf der Jahre 2017 und 2018 verschlechtert. Im April 2017 war ein privates Sachverständigengutachten noch zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Fichten in einem guten Zustand befänden, und im April 2018 wurde bei einer Ortseinsicht von Bediensteten der Beklagten festgestellt, die beiden Fichten seien noch „dicht benadelt und intakt“. Dagegen stellte im September 2018 eine vom Kläger eingeschaltete private Firma für Garten und Landschaftsbau fest, die Bäume befänden sich in einem unumkehrbaren Absterbeprozess, und auch Bedienstete der Beklagten gingen nach einer am 24. Oktober 2018 erfolgten Ortseinsicht davon aus, die Bäume wiesen „erhebliche Vitalitätsmängel“ auf.

Am 14. August 2018 stellte der Kläger bei der beklagten Stadt einen Formularantrag mit dem Ziel, ihm die Fällung zweier auf seinem Grundstück befindlicher Fichten zu genehmigen. Die Stadt bestätigte mit Schreiben vom 4. September 2018 den Eingang dieses Fällgenehmigungsantrags und wies dabei darauf hin, eine weitere Bearbeitung sei erst möglich, wenn ihr alle erforderlichen Unterlagen vorlägen, weswegen um Vorlage eines Lageplans mit Baumbestandseinzeichnung gebeten werde. Mit weiterem, ebenfalls auf den „4. September 2018“ datierenden Schreiben, das aber zwischen den Parteien unstreitig erst im Oktober 2018 versandt worden ist, teilte die Stadt dem Kläger mit, seine Anzeige werde gemäß § 5 Abs. 4 BaumSchVO als Antrag behandelt, weil die Angaben zu Eingriffen an geschütztem Baumbestand vor Ort überprüft werden müssten.

Mit Bescheid vom 13. November 2018 erteilte die Stadt dem Kläger die beantragte Baumfällgenehmigung für die beiden auf seinem Grundstück gelegenen Fichten. Die Fällgenehmigung verband die Stadt mit der Auflage, auf dem Grundstück spätestens innerhalb von zwölf Monaten ab Bekanntgabe des Bescheids eine Ersatzpflanzung vorzunehmen und auf Dauer zu unterhalten, wobei der Bescheid 17 Laubbaumarten auflistet, aus denen der Kläger für die Ersatzpflanzung auswählen kann.

Die am 13. Dezember 2018 erhobene, allein gegen die Ersatzpflanzungsanordnung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 23. November 2020 als zulässig, aber unbegründet abgewiesen.

Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung zugelassen.

Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 22/2024, S. 774.