§ 31, 36, 246 BauGB; §§ 8,15 BauNVO (Asylbewerberunterkunft im Gewerbegebiet; fehlende Bauantragsunterlagen zur Beurteilung der immissionsschutzrechtlichen Situation; Nichteintritt der Fiktion des gemeindlichen Einvernehmens; ausreichende Rüge der Unvollständigkeit des Bauantrags; gemeindliches Einvernehmen; Fiktion; Ersetzung)
Nichtamtliche Leitsätze:
1. Die Einvernehmensfrist des § 36 BauGB (bzw. § 246 Abs. 15 BauGB) wird nur dann ausgelöst, wenn und sobald der Bauantrag der Gemeinde eine hinreichende und abschließende planungsrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens ermöglicht.
2. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist in den Fällen des § 246 Abs. 11 BauGB anwendbar.
BayVGH, Beschluss vom 09.01.2024, 2 CS 23.2010
Zum Sachverhalt:
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Asylbewerberunterkunft ohne Ersetzung seines gemeindlichen Einvernehmens.
Mit Bauantrag vom 4. Mai 2023, eingegangen beim Antragsteller am 21. Juni 2023, beantragte der Bauherr, das Landratsamt U, die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Asylbewerberunterkunft. Das Baugrundstück liegt in einem durch qualifizierten Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet des Antragstellers. Das Bauvorhaben soll im Wege einer Zeltkonstruktion ausgeführt werden, für die als Dachhaut beziehungsweise als Dämmschutz eine doppelschalige Thermoplane mit Kondenswasserschutz verwendet werden soll. Mit Schreiben vom 14. Juli 2023 wies der Antragsteller den Antragsgegner unter anderem darauf hin, dass durch die wohnähnliche Nutzung Einschränkungen für die benachbarten Firmen befürchtet würden. Aufgrund der vorgesehenen Zeltkonstruktion seien Immissionen zu erwarten, die eine auch nur halbwegs angemessene Wohnqualität unmöglich erscheinen ließen. Die bislang mit dem Bauantrag vorgelegten Unterlagen ließen eine Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen nicht zu. Es werde um weitere Stellungnahme gebeten.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2023 wies der Antragsgegner den Antragsteller unter anderem darauf hin, dass möglicherweise auftretende gewerbliche Nachteile für die Grundstücksnachbarn im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen seien. Mit Beschluss vom 8. August 2023, dem Antragsgegner am 14. August 2023 zugegangen, versagte der Antragsteller das gemeindliche Einvernehmen zu dem Baugenehmigungsantrag. Der Antragsgegner hörte daraufhin den Antragsteller mit Schreiben vom 29. August 2023 zur beabsichtigten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an. Dem Antragsteller wurde hierzu eine Frist bis zum 6. Oktober 2023 eingeräumt. Laut handschriftlichem Vermerk vom 7. September 2023 sei der Abgabetermin telefonisch bis 13. Oktober 2023 verlängert worden.
Mit Bescheid vom 21. September 2023, dem Antragsteller zugestellt am 27. September 2023, genehmigte der Antragsgegner die Errichtung einer Notunterkunft für Asylbewerber auf dem streitgegenständlichen Grundstück.
Der Antragsteller erhob Klage und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung derselben. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. Oktober 2023 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter.
Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 24/2024, S. 853.