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Zugang zu gemeindlichem Volksfest

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Betrieb eines Festzelts mit Kulturprogramm; Anziehungskraft als Auswahlkriterium; Bewertung anhand einer Punkteskala

Im unten vermerkten (Eil-)Beschluss vom 28.6.2024 hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in einem Konkurrentenstreitverfahren über die Vergabe eines Festzelts auf der parallel zum Oktoberfest veranstalteten „Oidn Wiesn“ zu entscheiden. Die Landeshauptstadt München (Antragsgegnerin) wendet bei der Bewerberauswahl für den Betrieb der Geschäfte und Festzelte ein vom Stadtrat beschlossenes Bewertungssystem mit 13 Bewertungskriterien an, bei dem je Kriterium maximal 11 Punkte erreicht werden können. Das Bewertungskriterium Nr. 8 betrifft die Anziehungskraft, die das angebotene Geschäft auf Volksfestbesucher ausübt; die Bewerber müssen diesbezüglich keine Nachweise vorlegen. In den „Anmeldebedingungen“ für die Oidn Wiesn 2024 hieß es im Abschnitt C „Musikantenzelt mit Kulturkonzept“ u.a., dass dort die aktuellen Strömungen der Volks- und Tanzkultur in München und darüber hinaus in ihrer Vielfalt präsentiert werden sollen. Das Programm im Musikantenzelt müsse sich deutlich von dem des Festzelts Tradition und dem Volkssängerzelt unterscheiden; hierzu sei ein detaillierter Programmentwurf mit fester Tages- und Zeitstruktur vorzulegen.

Um das Musikantenzelt 2024 bewarben sich die Antragstellerin, die dieses Zelt seit 2013 ohne Unterbrechung betrieben hatte, sowie erstmals die Beigeladene. In einem Vermerk des Kulturreferats der Antragsgegnerin vom 6.3.2024 wurde das von der Antragstellerin vorgelegte Kulturprogramm mit insgesamt 11 Punkten bewertet, die Beigeladene erreichte insgesamt sieben Punkte, nämlich drei Punkte für die „inhaltliche Ausrichtung des Kulturprogramms“ und vier für die „Auswahl und Qualität des Programms“. Diese Punktewerte wurden jeweils bei der Gesamtbewertung im Rahmen des Kriteriums Nr. 8 „Anziehungskraft“ berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 31.5.2024 lehnte die Antragsgegnerin die Bewerbung der Antragstellerin ab, da sie insgesamt nur 214 Punkte, die Beigeladene dagegen 242 Punkte erreicht habe. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht und stellte zudem einen Antrag gemäß § 123 VwGO mit dem Ziel, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie für das Musikantenzelt auf der Oidn Wiesn 2024 zuzulassen, hilfsweise zu einer Neuverbescheidung zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab und führte aus, es bestünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die Berücksichtigung der Bewerbung der Beigeladenen im Auswahlverfahren.

Die Vorgaben für das Kulturprogramm hätten nach den glaubhaften Darlegungen der Antragsgegnerin bereits seit 2013 nicht die Funktion eines Ausschlusskriteriums; die vollumfängliche Erfüllung dieser Vorgaben sei ersichtlich zu keinem Zeitpunkt für die Zulassung zum Auswahlverfahren vorausgesetzt worden. Gerade bei „Qualitätsmerkmalen“ bestehe grundsätzlich ein besonders weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Veranstalters. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Der Beschluss des VGH beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Wird von den Bewerbern um ein Festzelt nur ein „Entwurf“ für ein Kulturprogramm gefordert, müssen dafür nicht schon bestimmte Künstler verbindlich feststehen

„Die Antragstellerin macht geltend, dass bei der Auswahlentscheidung für das Musikantenzelt berücksichtigte Kulturkonzept stelle ein Ausschlusskriterium im Sinne einer Beschränkung der widmungsgemäßen Nutzung dar. Das Kriterium sei nur erfüllt, wenn die im Programmentwurf des jeweiligen Bewerbers genannten Musik- und Tanzbeiträge mit den betreffenden Künstlern zumindest abgesprochen und damit grundsätzlich realisierbar seien. Dieser Auffassung liegt ein unzutreffendes Verständnis von diesem Bewertungskriterium zugrunde.

Ein Bewerber für das Musikantenzelt auf der Oidn Wiesn 2024 musste gemäß Buchst. C der ,Anmeldebedingungen‘ (Stand Januar 2024) einen detaillierten Entwurf für das Kulturprogramm im Musikantenzelt mit fester Tages- und Zeitstruktur vorlegen. Dieser sollte bestimmte Zeitblöcke für eine Tageskapelle, eine zusätzliche musikalische und/oder tänzerische Aktion am Nachmittag und ein allabendliches Highlight beinhalten. Der Programmentwurf ist damit wesentlicher Bestandteil des vom jeweiligen Bewerber vorzuschlagenden Kulturkonzeptes. Das Konzept soll das von der Antragsgegnerin vorgegebene Ziel umsetzen, im Musikantenzelt die aktuellen Strömungen der Volks- und Tanzkultur in München und darüber hinaus in ihrer Vielfalt zu präsentieren. In den ,Anmeldebedingungen‘ werden auch die an das Kulturkonzept anzulegenden Qualitätskriterien aufgeführt. Danach richten sich die Auswahl und Qualität des Kulturprogramms nach den Kriterien der Bekanntheit der Gruppen, der Zusammensetzung in Bezug auf Instrumentierung und Gruppengröße, gegenwärtiger Impulse und Nachwuchsströmungen der Volks- und Tanzkultur sowie regionale Vielfalt (auch über Bayern hinaus). Das Programm im Musikantenzelt muss sich dabei deutlich von dem des Festzelts Tradition und dem Volkssängerzelt unterscheiden.

Den ,Anmeldebedingungen‘ ist dagegen nicht zu entnehmen, dass die Musik- und Tanzbeiträge der im Programmentwurf genannten Künstler mit einer bestimmten Verbindlichkeit angeboten werden müssten, wie die Antragstellerin meint. Dabei ist zu beachten, dass die Kriterien für die im Falle einer Kapazitätserschöpfung zu treffende Auswahl unter mehreren Bewerbern u. a. hinreichend transparent und nachvollziehbar sein müssen (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.20131) – 4 B 13.1135 – VGH n.F. 66, 196 Rn. 23 m.w.N.). In den ,Anmeldebedingungen‘ fehlt ein Hinweis auf ein etwaiges Erfordernis von Absichtserklärungen bzw. Absprachen mit den betreffenden Künstlern bereits vor Abgabe der Bewerbung; andernfalls hätte es auch nahegelegen, entsprechende Nachweise zu verlangen. Der Programmentwurf soll der Antragsgegnerin offensichtlich die Beurteilung erlauben, inwieweit mit dem Kulturkonzept des einzelnen Bewerbers die angestrebte Präsentation vielfältiger aktueller Strömungen der regionalen Volks- und Tanzmusik im Musikantenzelt umgesetzt werden könnte. Dazu dienen die genannten Kriterien für ein breites Spektrum aktueller Volks- und Tanzkultur mit unterschiedlichen Musik- und Tanzstilen und Typen von Musik- und Tanzgruppen. Es ist deshalb folgerichtig, dass die Ausschreibung der Antragsgegnerin nicht auf die Festschreibung namentlich benannter Gruppen, sondern auf eine bestimmte Charakteristik des Musikprogramms abzielte; eine Auswahl unter verschiedenen geeigneten Künstlern auch nach Abgabe einer Bewerbung sollte ersichtlich nicht ausgeschlossen werden…

Gegen diese objektive Auslegung der Bewertungskriterien spricht nicht, dass bei der Antragstellerin und Dritten möglicherweise ein anderes Verständnis von der Verbindlichkeit des Programmentwurfs vorherrschte.“

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Fundstelle Bayern 3/2025, Rn. 25.