Art. 12, 14, 20a GG; §§ 5, 26, 67 BNatSchG; Art. 10, 11, 45 Bay-NatSchG 1998 (hohe Anforderungen an eine Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses einer Verpflichtungsklage auf landschaftsschutzgebietsbezogene Erlaubnis oder Befreiung wegen bloß hypothetischer Möglichkeit bauaufsichtlicher Maßnahmen; zu den Anforderungen an landwirtschaftliche Bauwerke [hier: Fahrsilo] in einem Landschaftsschutzgebiet bei Bestehen von landschaftsschonenderen Alternativen)
Amtliche Leitsätze:
- Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Erlaubnis gemäß einer Landschaftsschutzgebietsverordnung beziehungsweise auf Verbescheidung einer diesbezüglichen Befreiung (§ 67 Abs. 1 BNatSchG) entfällt regelmäßig nicht schon wegen materieller Baurechtswidrigkeit und einer bloß hypothetischen Möglichkeit, eine bauaufsichtliche Verfügung zu erlassen (in Fortführung von BVerwG, U.v. 17.10.1989 – 1 C 18.87 – BVerwGE 84, 11/13 m. w. N.).
- Auch privilegierte Außenbereichsvorhaben im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB können im Kontext von § 26 Abs. 2, § 5 Abs. 1 BNatSchG im Hinblick auf die von Landschaftsschutzgebietsverordnungen erfassten Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege verboten sein (in Fortführung von BVerwG, U.v. 13.04.1983 – 4 C 21.79 – BVerwGE 67, 84/86; B.v. 02.02.2000 – 4 B 104.99 – BauR 2000, 1311 m. w. N.).
- Für die Annahme einer unzumutbaren Belastung im Sinn von § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG reicht das Vorliegen einer (landwirtschaftlichen) Privilegierung im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB allein nicht aus, zumal für § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bloße „Vernünftigkeit“ genügt, wohingegen § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG grundsätzlich erfordert, dass das Vorhaben für den landwirtschaftlichen Betrieb „notwendig oder gar unentbehrlich“ ist; im Hinblick auf diese „Notwendigkeit oder gar Unentbehrlichkeit“ ist auch nach „Standortalternativen“ zu fragen (im Anschluss an BayVGH, B.v. 14.11.2013 – 1 CS 13.1907 – NuR 2014, 514).
BayVGH, Urteil vom 24.07.2024, 14 B 22.2247 (nicht rechtskräftig)
Zum Sachverhalt:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Kläger verlangen können, ihnen den Bau eines im „Landschaftsschutzgebiet S“ gelegenen landwirtschaftlichen Fahrsilos nach der zugrunde liegenden Landschaftsschutzgebietsverordnung zu erlauben, hilfsweise ermessensfehlerfrei über eine diesbezügliche Befreiung zu entscheiden.
Die Kläger sind gemeinsam Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Betriebsleiterin ist die Klägerin zu 2. Am 8. September 2016 ging beim Landratsamt als unterer Naturschutzbehörde ein von beiden Klägern unterzeichnetes Schreiben vom 6. September 2016 ein betreffend die Errichtung eines Fahrsilos von 20 Meter Länge, 5 Meter Breite und 1,5 Meter Höhe auf einem im Eigentum des Klägers zu 1 stehenden Grundstück. In diesem Schreiben wird im Hinblick auf die Lage des Fahrsilos im Landschaftsschutzgebiet um eine naturschutzrechtliche Erlaubnis gebeten. Dem Schreiben ist ein Lageplan beigefügt, in den der Grundriss des geplanten Fahrsilos mit zugehörigen Längenmaßen eingezeichnet ist; eingezeichnet ist auch ein Querschnitt des Fahrsilos mit den Worten: „Höhe 1,50“ und „3 Stück“.
Das Vorhabengrundstück befindet sich im räumlichen Geltungsbereich der „Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet ‚S‘“ des Bezirks U vom 3. Dezember 2001 (Amtsblatt der Regierung von U, RABl S. 321; nachfolgend: Landschaftsschutzgebietsverordnung – LSGV). Diese Landschaftsschutzgebietsverordnung entstand durch die „Verordnung zur Änderung der Verordnung über den ‚Naturpark S‘“ des Bezirks U vom 3. Dezember 2001 (RABl S. 319; nachfolgend: Naturpark-Änderungsverordnung – NatParkÄndV), mit der aufgrund von Art. 11 Abs. 2 i. V. m. Art. 10, 45 des Bayerischen Naturschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1998 (GVBl. S. 140) die ursprüngliche „Verordnung über den ‚Naturpark S‘“ vom 28. Juli 1982 (GVBl. S. 614; nachfolgend: Naturparkverordnung – NatParkV) des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen (nachfolgend Umweltministerium) in eine eigenständige Landschaftsschutzgebietsverordnung überführt wurde (§ 1 bis Nr. 1 NatParkÄndV), wobei einige Vorschriften der Naturparkverordnung inhaltlich geändert wurden (§ 1 Nr. 2 bis 12 NatParkÄndV), die Grenzen des Landschaftsschutzgebiets neu festgesetzt wurden mittels Karten im Maßstab 1:25.000 und 1:100.000 (§ 2 NatParkÄndV) und die früheren Regelungen der Naturparkverordnung zur sogenannten Schutzzone außer Kraft traten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 NatParkÄndV). Unberührt blieb die ursprüngliche Naturparkverordnung hinsichtlich der Rahmenregelungen für den Naturpark mit Schutzgegenstand, Grenzen und Schutzzweck des Naturparks sowie Bestimmung und Aufgaben des Naturparkträgers (§ 3 Abs. 1 Satz 3 NatParkÄndV).
Am 7. November 2016 sprach sich die Gemeinde gegen das Vorhaben der Kläger aus. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (nachfolgend: Landwirtschaftsamt) teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 26. Juli 2017 mit, das Fahrsilo diene nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger.
In einer fachtechnischen Stellungnahme vom 26. Juli 2017 kam die untere Naturschutzbehörde zu dem Ergebnis, durch die Bodenversiegelung und die optisch sichtbare Höhe werde die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts gemindert und das Landschaftsbild beeinträchtigt, wobei ein Einvernehmen unter anderem die Auflage erfordere, das Fahrsilo an drei Außenseiten mit Erdboden anzuböschen, sodass nach außen hin keine Bauteile sichtbar seien, und einen großkronigen Laubbaum auf dem Grundstück als Ausgleich zu pflanzen.
Mit Schreiben vom 7. August 2017 teilte das Landratsamt indes den Klägern mit, es sei eine Baugenehmigung erforderlich, weil das Fahrsilo nach der Stellungnahme des Landwirtschaftsamts nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb diene, und empfahl die Antragsrücknahme, wogegen sich die Kläger mit Schreiben vom 17. Januar 2019 verwahrten, woraufhin das Landwirtschaftsamt mit Schreiben vom 29. Januar 2019 gegenüber dem Landratsamt an seiner ablehnenden Haltung festhielt und auch die Bauabteilung des Landratsamts mit Schreiben vom 28. Mai 2019 das Fahrsilo für gemäß § 35 BauGB für unzulässig hielt, was den Klägern mit Landratsamtsschreiben vom 11. Juni 2019 mitgeteilt wurde.
Mit Schreiben vom 11. September 2019 bestellte sich der Klägerbevollmächtigte im Verwaltungsverfahren und beantragte, die beantragte Erlaubnis für das Fahrsilo zu erteilen, und führte aus zum Viehbestand des klägerischen Betriebs, zur Betriebsfläche und zur Berechnung des erforderlichen Mindestvorschubs hinsichtlich Abmessungen des Fahrsilos.
Daraufhin hielt das Landwirtschaftsamt mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 gegenüber dem Landratsamt unter Auseinandersetzung mit der Argumentation des Klägerbevollmächtigten an seiner ablehnenden Haltung fest. Dazu entgegnete der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 16. Dezember 2019, wies dabei auf die Baugenehmigungsfreiheit gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 6 BayBO hin und argumentierte, weshalb aus klägerischer Sicht das Fahrsilo dem landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger diene.
Nachdem auch eine Eingabe des Klägerbevollmächtigten an das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erfolglos geblieben war, lehnte das Landratsamt den Erlaubnisantrag mit Bescheid vom 17. April 2020, dem Klägerbevollmächtigte zugestellt am 21. April 2020, kostenpflichtig ab. Mit Klageschrift vom 11. Mai 2020, beim Verwaltungsgericht W eingegangen am 15. Mai 2020, beantragte der Klägerbevollmächtigte, den Beklagten zu verpflichten, den Klägern die begehrte Erlaubnis für die Errichtung des Fahrsilos zu erteilen.
Mit Urteil vom 8. März 2022 wies das Verwaltungsgericht die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab. Dagegen hat der Senat auf Antrag der Kläger hin mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 die Berufung zugelassen.
Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 1/2025, S. 17