Art. 51 VerfGHG; Art. 91, 108, 120 BV (Begründungsanforderungen; Verfassungsbeschwerde; Verletzung in eigenen Rechten; Rechtsnachfolgerin; Anspruch auf rechtliches Gehör; Voraussetzungen der Revision; Willkür [verneint]; Justizgewährungsanspruch)
Amtliche Leitsätze:
- Mangels ausreichender Substanziierung unzulässige Verfassungsbeschwerde der Erbin des in der Revisionsinstanz verstorbenen Klägers in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit, der um die Nichterteilung eines zur Ausübung der Berufsfischerei auf dem Bodensee erforderlichen sogenannten Hochseepatents geführt wurde.
- Beschwerdebefugt ist nur, wer substanziiert geltend macht, durch den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem verfassungsmäßigen Recht verletzt zu sein.
- Nach dem Versterben des Adressaten eines fachgerichtlichen Urteils genügt die bloße Berufung auf die Erbenstellung grundsätzlich nicht für die Beschwerdebefugnis. Da die Verfassungsbeschwerde regelmäßig der Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte dient, muss hinzukommen, dass der Beschwerdeführer die erhobenen Rügen im eigenen Interesse geltend machen kann.
BayVerfGH, Entscheidung vom 19.09.2024, Vf. 40-VI-22
Zum Sachverhalt:
- Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem Rechtsstreit, den ursprünglich der im Jahr 2021 verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin (im Folgenden auch: Kläger) gegen den Freistaat Bayern (im Folgenden: Beklagter) wegen der Nichterteilung eines zur Ausübung der Berufsfischerei auf dem Bodensee erforderlichen sogenannten Hochseepatents geführt hatte. Im Einzelnen sind Gegenstand der Verfassungsbeschwerde:
– Das klageabweisende Endurteil des Landgerichts K vom 8. März 2019 – 13 O 61/18;
– der Beschluss des Landgerichts K vom 15. April 2019 – 13 O 61/18, mit dem ein Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers zurückgewiesen wurde;
– das Endurteil des Oberlandesgerichts M vom 9. Juli 2020 – 14 U 1479/19, mit dem die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen wurde;
– der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. Mai 2022 – 102 ZRR 152/21, mit dem die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen wurde;
– der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 5. August 2022 – 102 ZRR 152/21, mit dem die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss vom 23. Mai 2022 zurückgewiesen wurde.
Der 1945 geborene Kläger war seit circa 1963 als Berufsfischer auf dem Bodensee tätig. Den hierfür gemäß Art. 29 des Bay erischen Fischereigesetzes in der bis zum 31. Juli 2021 geltenden Fassung (im Folgenden: BayFiG a. F.; vgl. nunmehr Art. 26 BayFiG) erforderlichen Erlaubnisschein, das sogenannte Hochseepatent, wurde ihm bis einschließlich 2017 jährlich ohne erneute Antragstellung durch das Landratsamt L erteilt.
Die Bodenseefischerei ist in der zwischen den (damaligen) Anrainerstaaten des Bodensees – Baden, Bayern, Liechtenstein, Österreich, Schweiz und Württemberg – geschlossenen Bregenzer Übereinkunft vom 5. Juli 1893 geregelt. Auf der Grundlage dieser Übereinkunft fasst die regelmäßig zusammenkommende Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (im Folgenden: IBKF) Beschlüsse unter anderem zur Regelung der Hochseepatente.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 regelte die IBKF die Zahl der von den Anrainerstaaten zu erteilenden Hochseepatente neu. Dabei wurde die Gesamtzahl der Patente ab 1. Januar 2020 auf 80 festgesetzt, wovon der Freistaat Bayern acht erteilen darf. Jedes dieser Patente erlaubt fünf Schwebnetze. Ein Patent kann laut dem Beschluss lediglich bis zum Ablauf des Jahres erteilt werden, in dem der Fischer das 70. Lebensjahr vollendet. Ferner wurde beschlossen, dass bisherige Inhaber eines Patents, die das 70. Lebensjahr vollendet haben und Altersgeld, Rente oder Pension beziehen, ein Alterspatent erhalten können, das zur Verwendung eines Schwebnetzes auf dem Hohen See berechtigt.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2017 teilte das Landratsamt L dem Kläger mit, er habe die Altershöchstgrenze für die Erteilung eines Hochseepatents überschritten, ihm werde ein solches Patent nicht mehr zugeteilt. Wenn er die Erteilung eines Alterspatents wünsche, möge er einen entsprechenden Antrag bis spätestens 31. Oktober 2017 stellen. Der Kläger beantragte mit Rechtsanwaltsschreiben vom 29. Dezember 2017, ihm „für das Jahr 2018, idealerweise auch für die Jahre 2019 und 2020“ ein Hochseepatent zu bewilligen.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2018 beantragte der Kläger persönlich ein „Rentnerpatent unter Vorbehalt einer gerichtlichen Entscheidung zur Erhaltung des Hochseepatents“.
Im Ausgangsverfahren erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Januar 2018 Klage zum Landgericht K zunächst mit dem Antrag, den beklagten Freistaat Bayern zu verurteilen, ihm auch für das Jahr 2018 ein Hochseepatent zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2018 beantragte er, den Beklagten zur Erteilung eines Hochseepatents für die Jahre 2019 und 2020 sowie dazu zu verurteilen, ihm, dem Kläger, für das Jahr 2018 Schadensersatz in Höhe von 18 435,96 Euro nebst Zinsen zu bezahlen sowie jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden sei oder noch dadurch entstehe, dass die beantragten Hochseepatente nicht erteilt worden seien. Darüber hinaus beantragte er für jedes Jahr der Verweigerung des Hochseepatents eine angemessene Entschädigung in Geld, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.
Das Landgericht K wies die Klage mit dem angegriffenen Endurteil vom 8. März 2019 ab. Mit Schriftsatz vom 22. März 2019 beantragte der Kläger, den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils im unstreitigen Teil in zwei Punkten, die Ausführungen zur Bregenzer Übereinkunft und der IBKF betrafen, zu berichtigen. Das Landgericht wies diesen Antrag mit dem angegriffenen Beschluss vom 15. April 2019 zurück mit der Begründung, die gerügten Formulierungen seien nicht zu beanstanden.
Im Rahmen seiner gegen das Urteil des Landgerichts eingelegten Berufung stellte der Kläger den Hauptantrag, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht A „abzugeben“. Hilfsweise beantragte er, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, den Abschluss eines Vertrags über ein Hochseepatent für das Jahr 2020 anzubieten, sowie die Feststellung, dass der Beklagte für jedes Jahr der Verweigerung des beantragten Hochseepatents zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 18 435,96 Euro sowie zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet ist. Das Oberlandesgericht M wies die Berufung mit dem angegriffenen Endurteil vom 9. Juli 2020 zurück.
Der Kläger legte wegen der Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dieser gab mit Beschluss vom 29. Juli 2021 (BayVBl. 2022, 423) die Sache gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 EGZPO, § 8 EGGVG, Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG an das Bayerische Oberste Landesgericht ab, da der landesrechtliche Rechtsstoff den Schwerpunkt des Rechtsstreits bilde und im Sinn des § 8 Abs. 2 EGGVG überwiege. Dies gelte auch, soweit die Beschwerde beanstande, dass das Berufungsgericht der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung getragen habe. Die Tätigkeit des Klägers falle ohne Weiteres in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. In Bezug auf dieses bundesrechtlich geregelte Grundrecht werfe der Fall keine klärungsbedürftigen Fragen auf.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2021 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Bayerischen Obersten Landesgericht mit, dass der Kläger am 14. August 2021 verstorben und von seiner Ehefrau, der Beschwerdeführerin, aufgrund Erbvertrags allein beerbt worden sei. Die Beschwerdeführerin nehme das Verfahren als Rechtsnachfolgerin auf. Da sie selbst nicht die formalen Voraussetzungen zur Erteilung eines Erlaubnisscheins im Sinn des Art. 29 BayFiG a. F. erfülle, werde der ursprüngliche Leistungsantrag in einen Feststellungsantrag umgeändert, wonach die Vorenthaltung eines Hochseepatents für den Kläger durch den Beklagten rechtswidrig gewesen sei.
Das Bayerische Oberste Landesgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde
mit dem angegriffenen Beschluss vom 23. Mai 2022 zurück. Von einer Begründung werde abgesehen, weil eine solche nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin wies das Bayerische Oberste Landesgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 5. August 2022 zurück.
Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 3/2025, S. 86.