Rechtsprechung Bayern

Wasserrecht: Verbot des Befahrens eines Gewässers

viktorijareut - stock.adobe.com

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat sich in dem unten vermerkten Beschluss vom 24.7.2024 mit einer Allgemeinverfügung befasst, mit der ein Landratsamt das Befahren der Fränkischen Saale mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft wegen einer Gefahr durch umstürzende Bäume oder abbrechende Äste verboten hatte. Das Verwaltungsgericht (VG) hatte den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Der VGH stellte die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wieder her, allerdings erst mit Wirkung vom 1.3.2025.

1. Vorliegen einer Gefahr i.S. des Art. 18 Abs. 3 BayWG

„Auch wenn das Vorliegen einer Gefahr i.S. des Art. 18 Abs. 3 BayWG nicht aus grundsätzlichen rechtlichen Gründen ausgeschlossen wäre, hätte die Klage des Antragstellers gegen die Allgemeinverfügung vom 9.2.2024 voraussichtlich Erfolg. Sie dürfte jedenfalls in ihrer konkreten Ausgestaltung unverhältnismäßig und zudem im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz problematisch sein. Es dürfte in diesem Fall zwar von einer Gefahr i.S. des Art. 18 Abs. 3 BayWG, im Wesentlichen in Gestalt eines Gefahrenverdachts, auszugehen sein. Eine Gefahr ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu dem Eintritt eines Schadens bei einem Schutzgut führt (vgl. BayVGH, U.v. 8.7.2016 – 4 B 15.1285 – BayVBl 2017, 303 = juris Rn. 17). Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose (BVerwG, U.v. 3.7.2002 – 6 CN 8.01 – BVerwGE 116, 347 = juris Rn. 35; U.v. 28.6.2004 – 6 C 21.03 – Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 76 = juris Rn. 25). Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine abstraktgenerelle Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt; das hat zur Folge, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann.

Hinsichtlich des anzusetzenden Grades der Wahrscheinlichkeit muss zum einen danach differenziert werden, welches Schutzgut auf dem Spiel steht (vgl. jüngst BayVGH, B.v. 29.4.2024 – 8 CS 23.2243 – juris Rn. 17 m.w.N.). Ist der möglicherweise eintretende Schaden sehr groß, dann können an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nur geringere Anforderungen gestellt werden. Zum anderen ist für die Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auch die Intensität des (Grundrechts-)Eingriffs von Bedeutung. Je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2017 – 3 C 4.16 – NVwZ 2018, 504 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 29.4.2024 – 8 CS 23.2243 – juris Rn. 17 m.w.N.).

Im Vorfeld einer Gefahr liegt der (bloße) Gefahrenverdacht. Bei einem solchen besteht noch keine Gewissheit, ob eine Gefahr vorliegt; die Sachlage bietet jedoch Anhaltspunkte für eine mögliche Gefahr und bedarf weiterer Aufklärung… Davon ausgehend dürfte die Allgemeinverfügung vom 9.2.2024 auch auf konkrete Gefahren, der Sache nach im Wesentlichen aber auf einen Gefahrenverdacht, hingegen nicht auf eine abstrakte Gefahr gestützt sein. Die Verfügung beruht … nicht auf einer umfassenden, sachverständigen Beurteilung der Standsicherheit sämtlicher Bäume in den von der Verfügung erfassten Flussabschnitten. Es spricht nach Aktenlage zwar vieles dafür, dass in diesen Abschnitten Bäume vorhanden sind, die in gesteigertem Maße umsturzgefährdet sind, und es im Fall der Fälle zu einer Verletzung oder gar Tötung von Gemeingebrauchsausübenden kommen, mithin wohl von einer konkreten Gefahr ausgegangen werden kann, die gegebenenfalls eine Regelung für den jeweiligen ,Gefahrenbereich‘ rechtfertigen könnte. Wie viele Bäume tatsächlich betroffen sind, ist jedoch ungeklärt; das Landratsamt geht insoweit selbst von der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aus.“

2. Zulässige Dauer des Verbots

„Die Allgemeinverfügung vom 9.2.2024 dürfte … in ihrer konkreten Ausgestaltung unverhältnismäßig sein. Bei einem Gefahrenverdacht sind auf Rechtsfolgenseite im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in erster Linie Gefahrerforschungseingriffe zulässig, also Eingriffe, die eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ermöglichen sollen. Endgültige (Sicherungs-)Maßnahmen wie die hier in Rede stehende Untersagung des Gemeingebrauchs sind hingegen nur ausnahmsweise zum Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt (vgl. BayVGH, U. v. 8.7.2016 – 4 B 15.1285 – BayVBl 2017, 303 = juris Rn. 17).

Sie dürften zudem nur für einen Zeitraum zulässig sein, der für die erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts zwingend erforderlich ist; ansonsten könnte die Gefahrenabwehrbehörde bei einem Gefahrenverdacht durch Untätigbleiben bzw. zögerliches Tätigwerden die Dauer, für die die Sicherungsmaßnahme gelten soll, praktisch ohne zeitliche Grenze hinauszögern.

Im vorliegenden Fall handelt das Landratsamt zum Schutz von Leben und Gesundheit der Gemeingebrauchsausübenden und damit zum Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter.

Rechtlichen Bedenken begegnet indes, dass es das Verbot ,bis auf Weiteres‘ ausgesprochen hat. In den Gründen der Entscheidung heißt es diesbezüglich, sollte sich die Gefahrenlage in der kommenden Zeit reduzieren, erfolge eine Neubewertung der Sachlage … Ferner ist ausgeführt, eine weitergehende Baumkartierung sei seitens des Wasserwirtschaftsamts derzeit nicht leistbar; allerdings sei ein strategisches Konzept zur Verjüngung der Baumstruktur an der Fränkischen Saale in Bearbeitung und werde, sobald vorhanden, vorgelegt … Aus diesen Ausführungen wird zwar deutlich, dass das Landratsamt als zuständige Gefahrenabwehrbehörde die Untersagung als Mittel ansieht, um den Zeitraum bis zu einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts zu überbrücken (,um sich Luft zu verschaffen‘). Allerdings bestand zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung nach Aktenlage keine konkrete, realisierbare Planung der weiteren – zeitnah beabsichtigten – Sachverhaltsaufklärung, zumal das Landratsamt insoweit auf die (beschränkten) Kapazitäten des Wasserwirtschaftsamts verweist, obwohl es als zuständige Gefahrenabwehrbehörde nach Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG selbst zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet ist. Dabei kann und muss es sich gegebenenfalls auch … weiterer Sachverständiger bedienen.

Der Erlass der Allgemeinverfügung vom 20.6.2024 deutet zwar darauf hin, dass das Landratsamt durchaus beabsichtigt, die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Allgemeinverfügung kontinuierlich zu überprüfen. Legt man das dabei an den Tag gelegte Tempo zugrunde – ,Freigabe‘ von 1,1 km rund vier Monate nach Erlass der ursprünglichen Verfügung –, so dürfte die Allgemeinverfügung vom 9.2.2024, die einen mehr als 60 km langen Bereich betrifft, noch viele Jahre aufrechterhalten werden müssen.“

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Fundstelle Bayern 2/2025, Rn. 20.