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BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen Höchstaltersgrenze für die Wahl hauptamtlicher erster Bürgermeister und Landräte im bayerischen Kommunalwahlrecht

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Altersgrenze im KommunalwahlrechtDer Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen die Höchstaltersgrenzen für die Wählbarkeit hauptamtlicher erster Bürgermeister und Landräte im bayerischen Kommunalwahlrecht. Nachdem der BayVerfGH in den fraglichen Regelungen keinen Verstoß gegen bayerisches Verfassungsrecht erblickt hat, verfolgte der Bf. sein Anliegen vor dem BVerfG weiter.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorlägen: Die Verfassungsbeschwerde habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, sie sei teilweise unzulässig, im Übrigen jedenfalls offensichtlich unbegründet.

Wesentliche Entscheidungsgründe

1. Aspekt: Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl

Soweit der Bf. die Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl mit Blick auf seine Wählbarkeit zum kommunalen Hauptamt eines Landrats in Bayern rügt, kann er kein im Verfahren der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG rügefähiges Grundrecht geltend machen, so das Gericht.

Der Bf. hatte hier argumentiert, dass die Verfassungsbeschwerde auch unter diesem Aspekt zulässig sei: Die angegriffene Regelung sei zwar in einem Wahlgesetz getroffen worden, aber nicht wahlrechtsspezifisch. Der autonome Verfassungsraum der Länder, in dem nach der Rechtsprechung des BVerfG allein subjektiver Wahlrechtsschutz gewährleistet werde, finde seine Grenze im allgemeinen Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, soweit personale und nicht beeinflussbare Kriterien wie das Lebensalter als Unterscheidungskriterium herangezogen würden.

Dem ist das BVerfG nicht gefolgt: Art. 38 GG erfasse unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheide mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlange Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gölten. Dem Einzelnen vermittele Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG könne auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheide auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus. Die Länder gewährleisteten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend. Dem Bf. stehe im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte Verletzung seines passiven allgemeinen Wahlrechts der Verwaltungsrechtsweg zur Verfügung (vgl. Art. 51a GLKrWG). Mehr sei von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz verbürge.

2. Aspekt: Diskriminierung wegen des Alters – Verletzung der Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund einer unzulässigen Diskriminierung wegen seines Alters geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde nach Auffassung des BVerfG offensichtlich unbegründet.

a) Maßstab: Zulässigkeit von Höchstaltersgrenzen allgemein

Höchstaltersgrenzen für die Wählbarkeit zu öffentlichen Ämtern seien im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG als subjektive Zulassungsvoraussetzung einzustufen. Solche Einschränkungen seien gerechtfertigt, soweit durch sie ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut geschützt werden soll, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht; sie dürften zudem nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen und keine übermäßige unzumutbare Belastung enthalten. Zu den Gemeinwohlgründen gehörten insbesondere die Belange, denen Art. 33 Abs. 2 GG mit den Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst Rechnung trage. Der Gesichtspunkt einer effektiven Bewältigung der mit dem angestrebten Amt verbundenen Aufgaben durch hierfür geeignete Amtsträger rechtfertige altersbedingte Zulassungsbeschränkungen.

Da es zu Effektivitätsverlusten nicht nur bei einem vorzeitigen Ausscheiden komme, sondern auch dann, wenn der Funktionsträger wegen krankheitsbedingter Ausfälle oder Beeinträchtigungen das Amt nur noch eingeschränkt versehen könne, seien Regelungen verfassungsrechtlich unbedenklich, die Personen von der Wählbarkeit ausschließen, bei denen nach der Lebenswahrscheinlichkeit befürchtet werden kann, dass sie nicht bis zum Ende der Amtszeit in der Lage sein werden, den vom Amt geforderten hohen persönlichen Einsatz zu erbringen. Entschließe sich der Gesetzgeber dazu, Beeinträchtigungen einer kontinuierlichen und effektiven Amtsführung entgegenzutreten, stehe ihm hinsichtlich der Erforderlichkeit der zu ergreifenden Maßnahmen eine Einschätzungsprärogative zu, deren Grenzen mit der Einführung von Wählbarkeitsgrenzen grundsätzlich nicht überschritten seien.

Genügten Höchstaltersgrenzen den verfassungsrechtlichen Anforderungen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, sei im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, dass die mit ihnen verbundene Ungleichbehandlung auch vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand habe, weil insoweit die Gesichtspunkte sachlicher Rechtfertigung übereinstimmten.

b) Verfassungsrechtliche Bewertung typisierter Wählbarkeitsgrenzen

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1997 entschieden, dass der Gesetzgeber die Einführung einer Wählbarkeitsgrenze, die Personen von der Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister typisierend ausschließt, wenn sie das 65. Lebensjahr bereits vollendet haben, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG – seinerzeit geprüft unter dem Aspekt des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl als Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes – und Art. 12 Abs. 1 GG als zur Erreichung des dargestellten gesetzgeberischen Anliegens geeignetes und erforderliches Mittel ansehen durfte, das auch die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit wahrt. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit auch heute noch mit zunehmendem Alter größer werde.

c) Kein Anlass zu verfassungsrechtlicher Neubewertung typisierter Wählbarkeitsgrenzen

Der Gesetzgeber war auch im Jahr 2012 von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, die Wählbarkeit zu den Ämtern des berufsmäßigen ersten Bürgermeisters und des Landrats von der Vollendung gegenwärtig des 65. und ab Jahresbeginn 2020 des 67. Lebensjahres abhängig zu machen, so das BVerfG.

Soweit der Beschwerdeführer vortrage, die Regelung verfehle ihren Zweck und berücksichtige den Wählerwillen nicht ausreichend, handele es sich ersichtlich nicht um (neue) Gesichtspunkte, die eine verfassungsrechtliche Neubewertung rechtfertigen könnten. Zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung gäben darüber hinaus weder die Schaffung eines differenzierten Regelungsregimes zum Schutz vor Altersdiskriminierung mit der Richtlinie 2000/78/EG und dem zu ihrer Umsetzung erlassenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz noch Aspekte der steigenden Lebenserwartung in Deutschland Anlass.

aa) RL 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie)

Die mit der angegriffenen Regelung ausdrücklich verfolgte Zielsetzung, dass gewählte Amtsträger ihr Amt möglichst während der gesamten Amtszeit ausüben können und Zwischenwahlen vermieden werden, stelle ein legitimes Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG [PDF, 130 KB] dar. Sie gehöre offensichtlich zu den in einem weiten Sinn zu verstehenden beschäftigungspolitischen Anliegen und diene insbesondere dazu, die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern.

Gleiches gelte für die von der Bayerischen Staatsregierung vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof dargelegte weitere Zielsetzung der Erhaltung eines – mit Blick auf die Altersgrenzen – einheitlichen Beamtenrechts, das unter anderem dem sozialpolitischen Ziel einer ausgewogenen Altersstruktur, der Begünstigung von Einstellungen jüngerer Beamter sowie der Optimierung der Personalplanung diene. Dies werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamten weit über die allgemeine beamtenrechtliche Altersgrenze hinaus tätig sein können. Zur Rechtfertigung der gesetzlichen Regelung genüge insoweit, dass die Tätigkeit auch dieses Kreises von Amtsträgern überhaupt und nicht ohne jeden Bezug zu den allgemeinen Altersgrenzen nach dem Lebensalter begrenzt werde.

Die von der Bayerischen Staatsregierung in ihrer Stellungnahme vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof herangezogenen statistischen Daten bestätigten, dass es im achten Lebensjahrzehnt, wenn auch nicht notwendig in jedem Fall, so doch häufiger zu gesundheitlichen Beschwerden und längeren Fehlzeiten kommt. Dem sei der Bf. nicht substantiiert entgegen getreten. Mit Blick auf die Zielsetzung einer kontinuierlichen Amtsführung der gewählten Inhaber eines kommunalen Hauptamts biete diese Sachlage dem Landesgesetzgeber hinreichenden tatsächlichen Anlass, die Altersgrenze für diese Ämter auf ein Eintrittsalter von 65 beziehungsweise 67 Jahren festzulegen.

bb) Steigende Lebenserwartung und längerer Erhalt der Leistungsfähigkeit

Soweit der Bf. gegen die Zulässigkeit der angegriffenen Höchstaltersgrenzen anführt, dass das durchschnittliche Lebensalter in Deutschland kontinuierlich ansteigt, und sich auf den Wandel der Leistungsfähigkeit älterer Menschen sowie ihrer Stellung in der Gesellschaft beruft, lassen sich dem Vorbringen keine Hinweise für eine verfassungswidrige Fehleinschätzung des Gesetzgebers entnehmen, so das BVerfG.

Der angegriffenen Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass angesichts der allgemeinen demografischen Entwicklung nicht nur die durchschnittliche Lebenserwartung steigt, sondern auch die Leistungsfähigkeit im Alter länger erhalten bleibt (LT-Drs. 16/9081, S. 14 [PDF, 336 KB ]). Die Entscheidung des Gesetzgebers, dem durch eine Erhöhung der Höchstaltersgrenze ab dem Jahr 2020 um zwei Lebensjahre Rechnung zu tragen, lasse verfassungsrechtlich erhebliche Abwägungsmängel nicht erkennen. Insbesondere sei die Einschätzung nicht zu beanstanden, dass im achten Lebensjahrzehnt in zunehmendem Umfang Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit zu erwarten seien, auf die im Interesse einer sachgerechten Amtsausübung Bedacht zu nehmen sei. Diese Einschätzung entspreche nicht nur allgemeiner Lebenserfahrung, sondern werde auch durch die von der Bayerischen Staatsregierung dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgelegten statistischen Daten bestätigt.

3. Aspekt: Verstoß gegen den Gleichheitssatz – Keine Altersgrenze für ehrenamtliche erste Bürgermeister

Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich unbegründet, soweit der Bf. eine Ungleichbehandlung der von den angegriffenen Altersgrenzen betroffenen berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamten gegenüber den davon nicht berührten ehrenamtlichen ersten Bürgermeistern rügt, so das BVerfG. Der Gesetzgeber durfte bereits in dem Umstand, dass die Stellung ehrenamtlicher Bürgermeister kleinerer Gemeinden mit den im Hauptamt vergebenen Positionen als Landrat oder Bürgermeister einer größeren Stadt deshalb nicht vergleichbar ist, weil letztere das Aufgabenfeld der Leitung eines meist umfangreichen Verwaltungsapparats mit erheblichem Personalbestand mit sich bringt, einen ausreichenden Grund für die differenzierende Regelung der Wählbarkeitsvoraussetzungen sehen.

4. Aspekt: Verstoß gegen den Gleichheitssatz – Altersgrenze von 67 Jahren erst für Wahlen ab 2020

Soweit der Bf. einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin sieht, dass die Höchstaltersgrenze erst ab dem 1. Januar 2020 und nicht bereits für die bevorstehende Kommunalwahl 2014 von 65 auf 67 Jahre hinaufgesetzt wird, bestehen im Hinblick darauf, dass der Bf. von einer etwaigen verfassungswidrigen Ungleichbehandlung nicht selbst betroffen ist, Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, so das BVerfG. Sie sei jedenfalls auch insoweit offensichtlich unbegründet.

Die Entscheidung, ob ein Rechtsgebiet der Novellierung bedarf und ab wann eine Neuregelung gelten soll, sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Die Bestimmung des Zeitpunkts für das Inkrafttreten eines Gesetzes bedürfe daher im Regelfall keiner besonderen Rechtfertigung, und das BVerfG könne nur eingreifen, wenn hierbei äußerste Grenzen überschritten würden. Dies sei etwa der Fall, wenn für den gewählten Zeitpunkt sachlich einleuchtende Gründe nicht mehr erkennbar seien.

Ein derartiger Fall liege hier jedoch nicht vor. Die getroffene Übergangsregelung solle nicht nur vermeiden, in die Zulässigkeit einer Wiederwahl der derzeitigen Amtsträger durch Gesetz bereits für die nächsten allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2014 verändernd einzugreifen. Zugleich solle damit auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Erhöhung der (allgemeinen) Altersgrenze bei Laufbahnbeamten auf 67 Jahre in Bayern vollumfänglich erst zum Jahr 2029 greift. Der Gesetzgeber habe sich damit von Gesichtspunkten leiten lassen, die ein Eingreifen des BVerfG nicht rechtfertigten.

BVerfG, B. v. 26.08.2013, 2 BvR 441/13

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) huebi71 – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2013082601