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Bayerischer Städtetag: Zentrale Orte sind Impulsgeber und Ankerpunkte – Pellkofer: Unterschiedliche Entwicklungen brauchen unterschiedliche Strategien

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Ein funktionierendes System Zentraler Orte leistet einen wichtigen Beitrag, um das Staatsziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse zu verwirklichen, sagt der 2. stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Dingolfings Bürgermeister Josef Pellkofer:

„Wenn Bund und Freistaat unbegrenzt Mittel hätten, dann könnten alle Gemeinden eine Vollfinanzierung für alle ihre Einrichtungen erhalten. Aber: Knappe Mittel machen eine planmäßige Verteilung von Versorgungseinrichtungen über das gesamte Land erforderlich. Knappe Ressourcen müssen sinnvoll eingesetzt werden. Nicht jede der 2056 Kommunen kann Standort einer Hochschule, eines Gymnasiums oder für zentrale Einrichtungen sein.“

Eine möglichst flächendeckende Versorgung der Bedürfnisse der Bevölkerung muss bezahlbar sein. Daher fand unter dem Eindruck der Landflucht in den 1960er und 1970er Jahren das Zentrale-Orte-System Einzug in die deutsche Landes- und Regionalplanung. Bevorzugt sollten damals Mittelpunktsiedlungen ausgebaut werden, die eine Grundversorgung etwa mit Schulen, kulturellen Einrichtungen oder Nahversorgung sicherstellten.

Pellkofer: „Über die ganze Fläche sollten damals Standorte für Industrie und Gewerbe verteilt werden – die Ansiedlung von BMW-Werken in Dingolfing, Landshut und Neutraubling sind hierfür ein Beispiel. Zentrale Orte dienten als Instrumente einer Modernisierungspolitik für die ländlichen Räume. Die Erfolgsgeschichte Bayerns seit den 1960er Jahren zeigt, dass sich das Zentrale-Orte-System als Verteilungsprinzip knapper Mittel bewährt hat. Dies ist ein Instrument, um Einrichtungen im Freistaat sinnvoll zu verteilen und die Zuteilung staatlicher Mittel zu steuern. Damit können Regionen, die von Schrumpfung bedroht sind, wieder Tritt fassen.“

Zentrale Orte nehmen überörtliche Funktionen bei der Versorgung wahr. Hier bündeln sich Einrichtungen, die das Umland mitversorgen.

Pellkofer: „Städte und Gemeinden, die zentralörtliche Aufgaben übernehmen, sind Motoren der Entwicklung einer ganzen Region, sie sind Impulsgeber und Ankerpunkte, sie prägen das Lebensgefühl, sie stiften Identität und geben Heimat. Zur Erfüllung dieser Aufgaben benötigen Städte und Gemeinden finanzielle Unterstützung.“

Die Staatsregierung muss sich dabei der Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten der vielfältigen Entwicklungen in den bayerischen Städten und Gemeinden bewusst werden: Sie muss Förderpraktiken, Vorgaben und Standards hinterfragen und an den jeweils spezifischen Bedarf der Kommunen anpassen.

Pellkofer: „Unterschiedliche Entwicklungen brauchen unterschiedliche Strategien. Die Heterogenität in Bayern ist Herausforderung und Chance zugleich. Vorhandene Stärken dürfen nicht geschwächt werden, Schwächen sind auszugleichen. Neue Aufgabenstellungen und Aufgabenschwerpunkte erfordern neue Lösungsansätze, neue Ideen, Flexibilität und den Mut für Experimente.“

Sie verlangen von Ministerien und Aufsichtsbehörden, die Förderpraxis stetig zu verbessern, Vorgaben und Standards zu prüfen, die Unterschiedlichkeiten der vielfältigen Entwicklungen in den Regionen zu analysieren und passgenaue Strategien zu entwickeln.

Fördersätze müssen stärker den kommunalen Bedarf in den Blick nehmen. Die Haushaltslage macht es einigen Städten und Gemeinden schwer, den Eigenanteil von Förderprogrammen aufzubringen.

Pellkofer: „Eine simple Unterscheidung nur nach Wachsen und Schrumpfen, Stadt und Land bildet den Bedarf nicht ab. Die Bevölkerungsentwicklung spiegelt nicht zwangsläufig die Finanzkraft wider: Wachstum allein macht eine Kommune weder sorgenfrei noch schuldenfrei. Finanzielle Unterstützung trägt dazu bei, die Existenz schrumpfender Städte zu sichern.“

Aber eine Umverteilung innerhalb der kommunalen Ebenen kann das Problem von schrumpfenden oder strukturschwachen Kommunen nicht lösen. Nötig ist eine gezielte Regional- und Strukturpolitik der Staatsregierung, damit in strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze entstehen und junge Menschen eine Perspektive haben.

Pellkofer: „Behördenverlagerungen sind ein Ansatz, um verstärkt Arbeitsplätze in ländliche Regionen zu bringen; sie alleine genügen nicht, denn es sind vor allem innovative Unternehmen, die neue Arbeitsplätze schaffen können.“

Die Staatsregierung muss stärker versuchen – etwa über die Invest in Bavaria – politisch auf dezentrale Standortentscheidungen strategisch wichtiger Unternehmen Einfluss zu nehmen. Die Ansiedlung von Wirtschaft funktioniert auch über Wissenschaft und Forschung. Wichtige Signale setzen Regionalisierungsstrategien für Hochschulen für angewandte Wissenschaft und Technischen Hochschulen. Diese Programme müssen intensiviert werden.

Pellkofer: „Damit schafft man nachhaltige wirtschaftliche Impulse, die weit auf das Umland ausstrahlen.“

[Siehe Diskussionspapier des BAYERISCHEN STÄDTETAGS 2015: „Gesund schrumpfen – über sich hinauswachsen. Demografischer Wandel in Stadt und Land“. Seite 29 f., 33 f., 35-37, 39-44, 57 f.]

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung Nr. 3 v. 22.07.2015

Redaktioneller Hinweis: Zum Download des angesprochenen (vormals auch als Tagungspapier bezeichneten) Diskussionspapiers: Tagungspapier (PDF, 65 S., 295 KB).