Gesetzgebung

Staatskanzlei: Ministerrat beschließt Eckpunkte für neues Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – Bayern für Aufbau eines landesweiten psychiatrischen Krisendiensts

Bayern baut die Versorgungsangebote für psychisch Kranke in akuten psychischen Notlagen aus und plant, landesweite psychiatrische Krisendienste einzusetzen. Der Ministerrat hat sich heute auf Eckpunkte für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (Psych-KHG) verständigt. Gesundheitsministerin Melanie Huml betonte:

„Eine umfassende, medizinische Versorgung ist ein wichtiges Anliegen. Dazu gehört, den Fokus nicht nur auf körperliche Erkrankungen zu richten, sondern auch auf seelische. Mit den heute beschlossenen Eckpunkten ist ein erster Schritt für mehr medizinische Angebote bei akuten psychischen Notsituationen gemacht. Akute psychische Krisen sind Notfälle. Für somatische Notsituationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall haben wir ein bestens funktionierendes Versorgungssystem. Das brauchen wir in vergleichbarer Form rund um die Uhr auch für psychische Krisensituationen.“

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In die Erarbeitung der Eckpunkte waren sowohl die Bezirke als auch Verbände und Institutionen eingebunden, die mit der Behandlung und Begleitung von psychisch Kranken befasst sind.

Im Rahmen des Psych-KHG soll auch die öffentlich-rechtliche Unterbringung neu geregelt werden. Zudem sollen zum besseren Schutz der Bevölkerung und der betroffenen Personen Präventionsambulanzen eingeführt werden, um potentielle Gewalttaten schon im Vorfeld zu verhindern. Sozialministerin Emilia Müller sagte:

„Wir stellen die öffentlich-rechtliche Unterbringung auf eine neue Grundlage. Im Vordergrund stehen dabei der Schutz der Bevölkerung, aber auch der Schutz der Betroffenen, Rechtssicherheit und Transparenz. Mit dem Ausbau der Präventionsambulanzen schließen wir zudem eine Versorgungslücke und stärken gleichzeitig den Schutz der Bevölkerung.“

In den Präventionsambulanzen können Hochrisikopatienten, die auf Grund einer schizophrenen Erkrankung oder schweren Persönlichkeitsstörung zu Gewalttaten neigen, Hilfe erhalten. Derzeit werden diese am Bezirkskrankenhaus Ansbach modellhaft erprobt.

Geplant sind regionale Leitstellen in den sieben Regierungsbezirken, erreichbar bayernweit unter einer einheitlichen Rufnummer, mit Teams, die im Notfall den Betroffenen auch aufsuchen. Ministerin Huml unterstrich:

„Der Krisendienst soll helfen, psychisch kranke Menschen auch ambulant aufzufangen und ihnen so eine eventuell notwendige Einweisung in eine stationäre psychiatrische Behandlung zu ersparen.“

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Derzeit gibt es solche Krisendienste bereits in München und Teilen Oberbayerns, in Mittelfranken sowie in Regensburg und Würzburg. Huml erläuterte:

„Die Erfahrungen der Bezirke werden in den bayernweiten Aufbau des Krisendiensts einfließen. Wichtig ist mir, dass sich das Angebot an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert. Deshalb ist es unerlässlich, dass der Ausbau nach den Maßgaben der Bezirke erfolgt.“

Mit dem Psych-KHG sollen die Rechte und Pflichten der Betroffenen während der öffentlich-rechtlichen Unterbringung transparent geregelt werden. Dazu sollen für Zwangsmaßnahmen ein Richtervorbehalt eingeführt, unabhängige Unterbringungsbeiräte installiert und eine eigene Fachaufsichtsbehörde geschaffen werden. Jährlich werden in Bayern zwischen 12.000 und 13.000 Personen öffentlich-rechtlich untergebracht, da von ihnen eine Selbst- oder Fremdgefährdung aufgrund einer psychischen Erkrankung ausgeht.

Die Eckpunkte für das Psych-KHG werden nun dem Landtag zugeleitet: Anschließend folgt das Gesetzgebungsverfahren, das mit dem Inkrafttreten des Psych-KHG im Sommer 2018 abgeschlossen sein soll.

Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 01.08.2017

Redaktionelle Hinweise und Anmerkungen

  • Meldungen im Kontext „BayPsychKHG“ bzw. zum Gesetzgebungsverfahren: hier.
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

Sprachlich wird der Begriff „Unterbringung“ meist ohne Differenzierung gebraucht und bezeichnet die Einweisung (ggfls. ohne oder gegen den Willen des Betroffenen) in ein psychiatrisches Krankenhaus, eine Entziehungsanstalt oder in eine sonstige Einrichtung – gleich aus welchen Gründen. Juristisch ist beim Begriff der Unterbringung zu unterscheiden zwischen

  • der Art der Unterbringung (zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche, strafrechtliche),
  • dem Anknüpfungspunkt für die Unterbringung (dem geschützten Rechtsgut) und
  • den Voraussetzungen, dem Verfahren und dem Vollzug, mithin den Rechtsgrundlagen.

PsychKHG – Öffentlich-rechtliche Unterbringung

Anknüpfungspunkt für die Unterbringung ist die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, neben der Eigengefährdung (wie hauptsächlich bei der zivilrechtlichen Unterbringung) also auch die Fremdgefährdung (bei der strafrechtlichen Unterbringung ist Anknüpfungspunkt hingegen eine rechtswidrige Straftat). Voraussetzungen und Vollzug sind landesrechtlich geregelt: In Bayern (noch) im Unterbringungsgesetz (UnterbrG), in anderen Bundesländern meist in einem so oder so ähnlich bezeichneten „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG)“. Hinsichtlich des Unterbringungsverfahrens ist zwischen dem behördlichen Verfahren (noch geregelt im UnterbrG) und dem gerichtlichen Verfahren (geregelt im FamFG, vgl. § 312 Nr. 3 FamFG) zu unterscheiden.

Angesichts der Tatsache, dass das UnterbrG aus dem Jahre 1992 stammt, wird auch im Freistaat seit Jahren verstärkt die Ablösung des UnterbrG durch ein modernes BayPsychKHG diskutiert.