Gesetzgebung

BVerwG umfassend zur Zulässigkeit neuer Steuern – hier: Wettbürosteuer

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Bemerkung der Landesanwaltschaft zu BVerwG, Urt. v. 29.06.2017 – BVerwG 9 C 7.16 / Weitere Schlagworte: Mitverfolgen von Wettereignissen; neuartige Vergnügungssteuer; örtliche Aufwandsteuer; Wirklichkeitsmaßstab / Landesrechtliche Normen: GlüStV; KAG

von Oberlandesanwältin Beate Simmerlein, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsätze des BVerwG:

  1. Bei einer Steuer, die das Wetten in Einrichtungen besteuert, die neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals o.Ä.) auch das Mitverfolgen der Wettereignisse auf Monitoren ermöglichen (Wettbüros), handelt es sich um den Typus einer örtlichen Aufwandsteuer i.S.d. 105 Abs. 2a GG.
  1. Eine solche Wettbürosteuer ist nicht mit der Sportwettensteuer nach 17 Abs. 2 RennwLottG gleichartig i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG, wenn sie sich in erheblichen Steuermerkmalen von dieser unterscheidet und nach einer wertenden Gesamtbetrachtung ein Eingriff in die Steuerkompetenz des Bundes nicht gegeben ist (wie BVerwG, Urt. v. 11.07.2012 – 9 CN 1.11 – BVerwGE 143, 301).
  1. Eine Gemeinde darf auch dann nicht durch Lenkungsmaßnahmen und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich des Bundesgesetzgebers eingreifen, wenn sie dessen Gesamtkonzeption als defizitär erachtet.
  1. Für eine Vergnügungssteuer in Gestalt einer Wettbürosteuer bildet der Wetteinsatz den sachgerechtesten Maßstab.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Mit der 2014 neu eingeführten Vergnügungssteuersatzung besteuert die Beklagte, eine Kommune in Nordrhein-Westfalen, das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros. Das sind Einrichtungen, die neben der Annahme von Wettscheinen das Mitverfolgen der Wettereignisse auf Monitoren ermöglichen. Steuerschuldner ist der Betreiber des Wettbüros, Bemessungsgrundlage ist die näher definierte Veranstaltungsfläche.

Da es sich bei der Wettbürosteuer um eine neuartige örtliche Aufwandssteuer in Form einer Vergnügungssteuer handelt, darf sie nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG in Bayern nicht erhoben werden. In Bayern besteht die Besonderheit, dass jede Form der Vergnügungssteuer unzulässig ist.

Die Entscheidung ist dennoch – auch aus bayerischer Sicht – lesenswert, da sie sich umfassend zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer neuen Steuer äußert.

Insbesondere zur Frage, wie die Gleichartigkeit im Hinblick auf neue Steuern zu definieren ist, nimmt das BVerwG Stellung und kommt hinsichtlich der Wettbürosteuer zu dem Ergebnis, dass mit dieser, anders als bei der Erhebung der Sportwettensteuer als Verkehrssteuer, nur ein eng begrenzter, spezifischer Ausschnitt des Wettgeschehens besteuert wird. Die Wettbürosteuer erfasst nur solche Wetten, die in Einrichtungen abgegeben werden, bei denen die Sportereignisse auf Monitoren mitverfolgt werden können. Ein unzulässiger Eingriff in die Steuerkompetenz des Bundes liege zumal auf Grund der Größenverhältnisse der steuerlichen Belastung nicht vor.

Das BVerwG sieht die Voraussetzungen für die Erhebung der Wettbürosteuer als gegeben an, der von der beklagten Stadt gewählte Flächenmaßstab verletzt jedoch die Steuergerechtigkeit.

Den sachgerechtesten Maßstab für eine Vergnügungssteuer bildet der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand, hier also der Wetteinsatz. Der Rechtfertigungsbedarf für einen Ersatzmaßstab ist umso höher, je weiter er sich von dem eigentlichen Belastungsgrund entfernt. Mit dem Flächenmaßstab sind gravierende Abweichungen von dem wirklichen Vergnügungsaufwand verbunden, den die Wettkunden tatsächlich betreiben. Stattdessen steht mit dem Wetteinsatz ein praktikabler Wirklichkeitsmaßstab zur Verfügung.

Net-Dokument: BayRVR2017121501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar) 

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Beate Simmerlein ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Kommunalrecht, das Schul- und Prüfungsrecht, das Medienrecht, das Sozialrecht sowie für das Personalvertretungsrecht zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB.