Rechtsprechung Bayern

Wasserversorgung: Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang

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Im unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 26.4.2021 ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Eigentümer von Grundstücken, die über eine eigene Wasserversorgung verfügen, vom Träger einer öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung eine Befreiung von dem satzungsrechtlich angeordneten Anschluss und Benutzungszwang verlangen können. Ein diesbezüglicher Antrag des Klägers, der auf seinen funktionsfähigen Hausbrunnen verwiesen hatte, war vom beklagten Wasserzweckverband abgelehnt worden; auch eine nachfolgende Verpflichtungsklage hatte keinen Erfolg.

Gegen das erstinstanzliche Urteil wandte sich der Kläger mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er trug vor, bei der Entscheidung müsse berücksichtigt werden, dass sein Brunnenwasser wegen regelmäßiger Entkeimungsmaßnahmen hygienisch unbedenklich sei und aufgrund seines geringen Härtegrads eine wesentlich bessere Qualität aufweise als das Wasser des beklagten Zweckverbands. Es könne ihm nicht zugemutet werden, eine Wasseraufbereitungsanlage anzuschaffen, um den Härtegrad auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Wegen der hohen Wasserhärte sei zudem von einer extrem hohen elektrischen Leitfähigkeit des Fernwassers auszugehen, was laut einer wissenschaftlichen Studie für den menschlichen Organismus schädlich sei.
Aufgrund seines sehr geringen Wasserverbrauchs und der 140 m langen Zuleitung zu seinem Haus müsse der Kläger zur Vermeidung einer Keimbildung einen hohen Spülaufwand betreiben. Auch habe er, um seinen Hausbrunnen weiterhin nutzen zu können, im Jahr 2006 für rund 40.000 Euro ein Nebengebäude sanieren müssen; diese Kosten seien eine Investition in die hauseigene Wasserversorgung gewesen, die sich bisher nicht amortisiert habe und daher die Befreiung rechtfertige. Dieses Vorbringen des Klägers konnte nach Auffassung des VGH nicht zur Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts führen. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit den folgenden Erwägungen:
1. Als Herstellungskosten für die hauseigene Wasserversorgung, deren geringer Amortisationsgrad eine Befreiung rechtfertigen kann, sind nicht (auch) Investitionen anzusehen, die ein anderes Wirtschaftsgut als die Wasserversorgungseinrichtung betreffen.

Der vom Kläger vertretenen anderslautenden Rechtsmeinung hält das Gericht entgegen: „Von dem in § 5 der Wasserabgabesatzung (WAS) des Beklagten vom 6.6.2018 geregelten Anschluss- und Benutzungszwang wird nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WAS auf Antrag ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss oder die Benutzung ,aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist‘. Eine solche Sondersituation, die einen Anspruch auf Befreiung begründen würde (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.11.20121 – 4 B 12.1660 – VGH n.F. 65, 237 = BayVBl 2013, 468 Rn. 21 m.w.N.), liegt bei dem klägerischen Grundstück nicht vor. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Inhaber einer erst vor relativ kurzer Zeit in Betrieb genommenen hauseigenen Wasserversorgung grundsätzlich verlangen können, bis zur Erreichung eines bestimmten Amortisationsgrads vom Anschluss- und Benutzungszwang befreit zu werden (BayVGH, a.a.O., Rn. 29 ff.).

Als Zumutbarkeitsgrenze gilt hiernach ein bereits eingetretener Wertverlust von 50 % der Herstellungskosten, der bei linearer Abschreibung nach der halben betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer erreicht wird. Hat ein Wirtschaftsgut alterungs- und/oder verschleißbedingt bereits die Hälfte seines ursprünglichen Werts verloren, kommt dem privaten Interesse an seiner weiteren Nutzung gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner endgültigen Stilllegung kein überwiegendes Gewicht mehr zu, so dass auch eine Befreiung nach § 6 Abs.
1 WAS nicht mehr geboten ist (BayVGH, a.a.O., Rn. 34). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist bei dem seit 1960 mit einer Wasserpumpe betriebenen und im Jahr 1997 renovierten Brunnen mittlerweile von einer Vollamortisation auszugehen. Die vom Kläger im Jahr 2006 veranlasste Renovierung eines denkmalgeschützten Nebengebäudes, zu der er Kostenrechnungen von insgesamt ca. 40.000 Euro vorgelegt hat, kann entgegen seiner Auffassung nicht im Sinne der genannten Rechtsprechung als Teil der Herstellungskosten des Hausbrunnens angesehen und bei der Befreiungsentscheidung berücksichtigt werden. Die damalige Baumaßnahme mag zwar den erwünschten Nebeneffekt gehabt haben, dass nicht mehr aus den durchgerosteten Dachrinnen Niederschlagswasser herausfließen und in den Brunnen gelangen konnte. Es handelte sich aber insgesamt um eine Investition, die ein anderes Wirtschaftsgut als den Hausbrunnen betraf und diesem daher auch hinsichtlich der Abschreibung nicht zugerechnet werden kann.“

2. Für die Entscheidung über die Befreiung kommt es nur auf objektiv grundstücksbezogene Gründe an Der VGH verweist insoweit auf einen in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannten Beurteilungsmaßstab: „Sonstige ,besondere Gründe‘, derentwegen der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung als unzumutbar anzusehen wäre, sind nicht ersichtlich. Der Vortrag des Klägers, er müsse im Falle des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgung einen hohen Aufwand betreiben, um eine wegen seines sehr geringen Wasserverbrauchs drohende Verkeimung der Leitungen zu vermeiden, muss schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil für die beantragte Befreiung vom Anschluss und Benutzungszwang nur objektiv grundstücksbezogene Gründe maßgeblich sein können und nicht (auch) persönliche Umstände und individuelle Verhaltensweisen des aktuellen Grundstücksnutzers (vgl. NdsOVG, Urteil vom 4.4.2017 – 9 LB 102/ 15 – NVwZ-RR 2017, 648 Rn. 24;OVG NW, Urteil vom17.2.2017 – 15 A687/15 – juris Rn. 65; SächsOVG, Beschluss vom 22.1.2014 – 4 A 603/13 – juris Rn. 10 f.; OVGMV, Urteil vom 22.6.2011 – 2 L 261/06 – NVwZ-RR 2011, 891). Im Übrigen ist nach dem Sachvortrag des Klägers davon auszugehen, dass auch die Nutzung des von ihm bisher betriebenen Hausbrunnens aus hygienischen Gründen einen nicht unbeträchtlichen Spülaufwand erfordert, der mit dem Anschluss an die öffentliche Versorgungsleitung wegfallen würde.“

3. Der bloße Wunsch, das eigene Wasser wegen bestimmter Qualitätsmerkmale nutzen zu können, rechtfertigt noch keine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang Den subjektiven Vorstellungen des Grundstückseigentümers kommt danach keine Bedeutung zu: „Soweit sich der Kläger auf die – aus seiner Sicht – wesentlich bessere Qualität seines Brunnenwassers im Vergleich zu dem vom Beklagten gelieferten Wasser beruft, folgt daraus ebenfalls kein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Insoweit kann offenbleiben, ob der behauptete Qualitätsvorsprung tatsächlich besteht oder ob vielmehr einer andauernden Nutzung des Brunnenwassers gesundheitliche Bedenken entgegenstehen, wobei diese eine Befreiung allerdings nur ausschließen würden, wenn die zuständige staatliche Behörde die fehlende Eignung des Wassers für den menschlichen Gebrauch ausdrücklich bestätigt hätte (vgl. BayVGH, Urteil vom26.10.20162) – 4 B 16.506 – BayVBl 2017, 416 Rn. 22).Unabhängig davon stellt das Vorhandensein einer hygienisch einwandfreien und ausreichenden eigenen Wasserversorgung nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für sich genommen noch keinen hinreichenden Befreiungsgrund dar (BayVGH, Urteil vom16.12.1992 – 23 B 89.3170 –NVwZ-RR 1994, 412 m.w.N.). Sofern keine objektive (z.B. betriebliche) Notwendigkeit in Bezug auf eine bestimmte Wasserqualität besteht, kann auch der bloße Wunsch, das auf dem eigenen Grundstück gewonnene Wasser wegen bestimmter Qualitätsmerkmale weiterhin nutzen zu können, nicht als ein ,besonderer Grund‘ i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 WAS angesehen werden, der den Anschluss an das öffentliche Wasserversorgungsnetz als unzumutbar erscheinen ließe.“

4. Weder ein hoher Härtegrad des vom öffentlichen Wasserversorger gelieferten Wassers noch die (damit verbundene) hohe elektrische Leitfähigkeit machen den Anschluss- und Benutzungszwang unzumutbar Die an die Wasserqualität anknüpfenden Bedenken des Klägers entkräftet das Gericht wie folgt: „Gründe für eine Unzumutbarkeit der Anschluss- und Benutzungspflicht lassen sich insbesondere nicht aus dem (vom Kläger behaupteten) hohen Härtegrad des vom Beklagten gelieferten Wassers herleiten. Daraus folgen zwar im täglichen Gebrauch gewisse Erschwernisse etwa in Gestalt von Kalkablagerungen in Haushaltsgeräten, die aber alle Anschlussnehmer gleichermaßen betreffen und im Regelfall hinnehmbar sind (vgl. VG Freiburg, Urteil vom25.9.20133) – 1K2092/11 – juris Rn. 44). Für den menschlichen Organismus ergeben sich aus dem Genuss kalkhaltigen Trinkwassers keine Beeinträchtigungen oder gar Schädigungen; ein gewisser Anteil an Calcium und Magnesium im Trinkwasser wird aus gesundheitlicher Sicht sogar als erwünscht angesehen (vgl. VG Freiburg, a.a.O., Rn. 35). Dementsprechend finden sich in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV), die aus Gründen des Gesundheitsschutzes detaillierte Mindestanforderungen an das zum menschlichen Gebrauch bestimmte Wasser festlegt (§ 37Abs. 1, § 38Abs. 1 Nr. 1 IfSG), keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Wasserhärte. Dass der Kläger gleichwohl für den Fall des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgung den Einbau einer Enthärtungsanlage in sein Hausleitungssystem für geboten hält, beruht somit nicht auf objektiv zwingenden Gründen, sondern lediglich auf seiner persönlichen Präferenz für eine bestimmte Wasserqualität; ein Befreiungsanspruch lässt sich damit nicht begründen.

Auch das Vorbringen des Klägers, wonach sich aus der hohen Wasserhärte des Fernwassers eine extremhohe, potentiell gesundheitsschädliche elektrische Leitfähigkeit ergebe, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. In der Trinkwasserverordnung, die den Beklagten als Betreiber einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage unmittelbar bindet (§ 4 Abs. 2 und 3 TrinkwV), ist in Anlage 3 unter lfd.Nr. 12 ein oberer Grenzwert für die elektrische Leitfähigkeit von 2750 μS/cm bei 23° vorgeschrieben. Dass das vom Beklagten gelieferte Wasser diese Obergrenze einhält, wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen. Soweit er unter Hinweis auf eine nicht näher bezeichnete wissenschaftliche Studie bereits einen über 300 μS liegenden Leitwert als für den menschlichen Organismus schädlich erachtet (was schon den Genuss normalen Mineralwassers ausschließen würde), handelt es sich ersichtlich um eine Außenseitermeinung, der sich der Verordnungsgeber beim Erlass der Trinkwasserverordnung nicht angeschlossen hat. Für eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich dieses Aspekts bestand aus Sicht des Verwaltungsgerichts keine Veranlassung.“

5. Eine Pflicht zum Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung besteht auch, wenn das von dort stammende Wasser von schlechterer Qualität sein sollte als das vom Anschlussnehmer bisher genutzte Wasser Zusammenfassend heißt es dazu in der Entscheidung: „Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob ein Bürger zur Verwendung qualitativ schlechteren Wassers aus der öffentlichen Wasserversorgung verpflichtet werden kann, bedarf keiner Klärung, da sich ihre Bejahung unmittelbar aus der einschlägigen Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO ergibt. Danach können die Gemeinden – und somit auch die kommunalen Zweckverbände (Art. 22 KommZG) – aus Gründen des öffentlichen Wohls den Anschluss an die ihnen nach Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO als Pflichtaufgabe obliegende Wasserversorgung vorschreiben und die Benutzung der entsprechenden Einrichtungen zur Pflicht machen, ohne dass dabei bestimmte Mindestanforderungen an die Beschaffenheit des Wassers gestellt würden. Die Inhaber der in einem Anschlussgebiet gelegenen Grundstücke können daher nicht verlangen, nur dann zum Anschluss an die öffentliche Versorgungseinrichtung verpflichtet zu werden, wenn das von dort stammende Wasser keine schlechtere Qualität aufweist als das von ihnen aus privaten Anlagen geförderte Wasser.“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 26.4.2021 – 4 ZB 21.584