Rechtsprechung Bayern

Rückforderung von Zuwendungen wegen schwerer Vergabeverstöße

©Lichtfexx - stock.adobe.com

Dem unten vermerkten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts München (VG) vom 12.5.2021 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer anteiligen Kürzung von Zuwendungen für eine im Mai 2000 fertig gestellte Straßenbaumaßnahme. Die Klägerin, eine bayerische Stadt, erhielt hierfür auf Grundlage eines Zuwendungsbescheids aus dem Jahr 1996 Zuwendungen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz (Bay- FAG). Die Klägerin legte 2007 den endgültigen Verwendungsnachweis vor. 2008 setzte der Fördergeber die zuwendungsfähigen Kosten per Bescheid fest. Ab Oktober 2010 fand eine Prüfung der Förderung durch das staatliche Rechnungsprüfungsamt statt, die 2012 mit einer Prüfungsmitteilung an die Regierung als Förderbehörde endete. Auf Grundlage dieser Mitteilung und nach Einholung mehrerer Stellungnahmen der Klägerin nahm die Regierung 2015 den Bescheid aus 2008 mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise zurück. Neben anderen Kürzungen seien aufgrund zweier schwerer Vergabeverstöße die Kosten für die jeweilige Auftragseinheit von der Förderung auszuschließen bzw. eine Kürzung der Gesamtzuwendung in Höhe von 20 % vorzunehmen. Gegen die Kürzungen erhob die Klägerin 2015 Klage. Das VG bestätigte di Rechtmäßigkeit der aufgrund schwerer Vergabeverstöße vorgenommenen Kürzungen. Seinem Urteil ist hierzu Folgendes zu entnehmen:

Eine ohne ausreichende Begründung durchgeführte Gesamtvergabe mehrerer Lose an einen Bieter stellt einen schweren Vergabeverstoß dar

„Die Klägerin war bei der Ausführung des staatlich geförderten Projekts … aufgrund der entsprechenden in den Bewilligungsbescheiden enthaltenen Auflage verpflichtet, die geltenden Vergabevorschriften und damit auch die Regelungen über die ,Vergabe nach Losen‘ einzuhalten. Nach § 5 Abs. 2 VOB/A sind Bauleistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben (Satz 1); auf die Aufteilung oder Trennung kann aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen verzichtet werden (Satz 2) … Die Vorschriften zur Losteilung bei öffentlichen Aufträgen dienen nicht nur dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und effektiven Verwendung öffentlicher Mittel, sondern zugleich dem wirtschaftspolitischen Ziel der Mittelstandsförderung, da es hierdurch auch kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen ermöglicht wird, sich an dem Wettbewerb der Bieter zu beteiligen (BayVGH, Beschluss vom 22.10.20141) – 4 ZB 14.1260 …). Wie sich schon aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ergibt, bildet die Vergabe nach Losen die Regel, von der nur im Einzelfall aufgrund sachgerechter Überlegungen abgewichen werden darf. Bei der Prüfung, ob ein vergaberechtlicher Ausnahmetatbestand (,wirtschaftliche oder technische Gründe‘) von hinreichendem Gewicht vorliegt, steht dem Auftraggeber zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die angeführten Gründe müssen jedoch einzelfallspezifisch und objektiv nachprüfbar sein, da es die öffentlichen Auftraggeber anderenfalls in der Hand hätten, von dem Grundsatz der losweisen Vergabe schon aufgrund allgemeiner und rein spekulativer Erwägungen abzuweichen …

Im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin angegebenen Gründe nicht aus, um die Gesamtvergabe des Auftrags für Straßen- und Brückenbau zu rechtfertigen. Das Gericht sieht es dabei bereits grundlegend als zweifelhaft an, inwieweit durch die dargestellte Abfassung des Angebotsformblatts (Aufforderungsschreibens) seitens der Klägerin überhaupt, wie vorgetragen, für den Bieter nachvollziehbar und im Sinne des Transparenzgebots aus § 97 Abs. 1 GWB eine Gesamtvergabe Gegenstand der Ausschreibung war … Soweit, wie von der Klägerin vorgetragen, eine Gesamtvergabe von Anfang an vorgesehen gewesen wäre, hätte schlicht zu der Aussage ,Unterteilung in Lose vorgesehen‘ ,Nein‘ angekreuzt werden können/müssen … Da ansonsten … keine Gründe vorgetragen sind, die eine Abweichung vom Regelfall der Vergabe nach Losen tragen, ist die Feststellung eines Vergabeverstoßes durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Dies gilt ebenso für die Annahme eines in diesem Fall schweren Vergabeverstoßes durch den Beklagten … In der Sache hat die Klägerin hier den Zuschlag nicht auf die Lose mit den jeweils niedrigsten Angebotspreisen, sondern auf das wirtschaftlichste Gesamtangebot erteilt, d.h. nicht an den jeweiligen Mindestbieter der einzelnen Lose, sondern an den Bieter, der mit der Gesamtsumme aller Lose am günstigsten lag. Nachvollziehbar geht der Beklagte daher davon aus, dass dies ein Übergehen des wirtschaftlichsten Angebots im Sinne der Nr. 4.3 der StMF-Rückforderungsrichtlinie darstellt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei einem Verstoß gegen das Gebot der losweisen Vergabe (auch) die erste Alternative der Nr. 4.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinie einschlägig wäre, weil ein Verstoß gegen das Gebot der losweisen Vergabe eine ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs schon dadurch bewirkt, dass kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen die Möglichkeit einer Beteiligung am Wettbewerb der Bieter genommen wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.10.2014, a.a.O., Rn. 8). Ausreichend hierfür ist allein die Tatsache einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs unter dem Gesichtspunkt, dass die unterbliebene Aufteilung in Lose zu einer Marktdiskriminierung all derjenigen Unternehmen geführt hat, die kein Gesamtangebot abgeben konnten oder wollten (BayVGH, Beschluss vom 22.5.20172) – 4 ZB 16.577 – juris Rn. 19).“

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der FstBY 4/2022, Rn. 44.