Rechtsprechung Bayern

Wohnungsvermietung während berufsbedingter Abwesenheitszeiten

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Amtliche Leitsätze

  1. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS vom 05.12.2017, MüABl. 494) sieht zwar vor, dass eine Zweckentfremdung von Wohnraum insbesondere dann gegeben ist, wenn die Wohnung mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird. Eine demzufolge nach § 5 Abs. 1 ZeS erforderliche Zweckentfremdungsgenehmigung ist nach § 5 Abs. 2 ZeS aber regelmäßig dann zu erteilen, wenn schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen.
  2. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ZeS liegen überwiegende schutzwürdige private Interessen „insbesondere“ bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Verfügungsberechtigten vor, aber eben nicht nur. Andere überwiegende schutzwürdige private Belange können sich vor allem aus dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben.
  3. Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung von Wohnraum besteht trotz Wohnungsnot dann nicht, wenn der in Rede stehende Wohnraum dem Eigentümer außerhalb von Abwesenheitszeiten selbst als Wohnung dient und somit zumindest zeitweise seine „Heimstatt im Alltag“ darstellt.
  4. Der materielle Regelungszweck des Zweckentfremdungsrechts ist von vornherein nicht berührt, wenn es an einer dauerhaften Umwandlung von eigengenutztem Wohn- oder Mietwohnraum in eine gewerbliche Fremdenbeherbergung fehlt. Dem allgemeinen Wohnungsmarkt geht in diesem Fall kein Wohnraum verloren, der ansonsten zum „Dauerwohnen“ zur Verfügung gestanden hätte. Infolgedessen ist eine Zweckentfremdungsgenehmigung auf entsprechenden Antrag hin zu erteilen.
  5. Das Zweckentfremdungsrecht erlaubt kein „generalpräventives“ Vorgehen gegen Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung zwar selbst nutzen, sie in Abwesenheitszeiten aber für Zwecke der Fremdenbeherbergung für mutmaßlich mehr als acht Wochen im Jahr vermieten. Das Grundgesetz duldet weder eine „Sozialisierung“ noch eine Beeinträchtigung von Privateigentum auf lediglich verwaltungsexekutiver Grundlage. Allenfalls kann dazu aufgefordert werden, einen entsprechenden Genehmigungsantrag zu stellen.

BayVGH, Beschluss vom 26.07.2021, 12 B 21.913 (rechtskräftig)

Zum Sachverhalt

Die Klägerin verfolgt mit der vom Senat zugelassenen Berufung ihre Klage gegen eine zweckentfremdungsrechtliche Nutzungsuntersagung der Beklagtenweiter.

Sie ist Eigentümerin einer 1987 als Wohnraum genehmigten Zwei-Zimmer-Maisonette-Wohnung in der W-Straße 1 in München. Aufgrund einer anonymen Anzeige, wonach sie „seit Jahren und das immer für Monate gegen gutes Geld ihre Wohnung hauptsächlich an reiche Araber“ vermiete, während sie „jedes Jahr für viele Monate auf der Welt unterwegs“ sei, leitete die beklagte Landeshauptstadt Ermittlungen im Hinblick auf die Zweckentfremdung von Wohnraum ein. Eine bei der Stadtwerke München Versorgungs-GmbH durchgeführte Abfrage ergab dabei zunächst einen Strombezug der Klägerin für die genannte Wohnung in haushaltsüblicher Menge. Weiter stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin die Wohnung über die Vermittlungsplattform Airbnb zur Vermietung angeboten hatte. Bei einer Ortseinsicht am16. Februar 2017 trafen Mitarbeiter der Beklagten in der Wohnung mehrere Touristen an, die die Wohnung über Airbnb gebucht hatten. Der Hausbriefkasten, das Klingelschild wie auch die Wohnungstür waren jeweils mit dem Namen der Klägerin versehen. Bei weiteren Ortseinsichten am 21. Februar 2017, 27. April 2017 und 9. Mai 2017 wurde niemand in der Wohnung angetroffen; einmal befand sich der Wohnungsschlüssel unter der Fußmatte. In der Folge hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Mai 2017, 23. Mai 2017 und 23. Juni 2017wegen eines Verstoßes gegen die Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) und zur beabsichtigten Einleitung eines Bußgeldverfahrens an, ohne dass die Klägerin hierzu Stellung nahm.

Daraufhin gab die Beklagte mit dem nunmehr streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Juli 2017 der Klägerin auf, die Nutzung der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung, W-Straße 1, 4. Obergeschoss, für Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden. Für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 5000,− Euro fällig. Nunmehr trug die Klägerin im Rahmen des zwischenzeitlich eingeleiteten Bußgeldverfahrens mit Schreiben vom 14. Juli 2017 vor, dass sie als Stewardess mit Stützpunkt Frankfurt am Main arbeite. In ihrer Wohnung würde sie viele Freunde aus der ganzen Welt beherbergen. Gelegentlich habe sie die Wohnung auch schon vermietet. Weshalb die Beklagte hierin eine Zweckentfremdung sehe, sei ihr unerfindlich, zumal sie in der Wohnung selbst wohne, zugleich aber international sehr viel unterwegs sei.

In der Folge ließ die Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Juli 2017 mit Telefax vom 14. August 2017 Klage erheben. Mit Urteil vom 16. Januar 2019 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.

Dem gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung gab der Senat mit Beschluss vom 24. März 2021 (12 ZB 19.369) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn von § 124Abs. 2Nr. 1VwGOstatt.

 

Lesen Sie den kompletten Beitrag im BayVBl 6/2022, S. 193.