Rechtsprechung Bayern

Geplante Errichtung eines Naturparkzentrums rechtfertigt Vorkaufsrechtsausübung nicht

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Die Kläger wenden sich gegen die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch den Beklagten. Das streitgegenständliche Grundstück Flur-Nr. 1 der Gemarkung G, Markt M, Landkreis L, hat eine Größe von 6420 qm und liegt inmitten des Naturparks N unmittelbar an der Grenze der Landkreise L und M. Es steht im Eigentum des Beigeladenen zu. 1. Es besteht zum überwiegenden Teil aus Frei- und Waldfläche. Es ist mit einem ehemals als Gasthof und Wohnhaus genutzten Hauptgebäude (sog. „Gasthof G“) sowie mehreren Nebengebäuden bebaut. Der Gasthof verfügt über 75 Gastplätze sowie zehn Fremdenzimmer mit insgesamt 19 Übernachtungsplätzen, eine weitere Nutzfläche und eine bewirtete Außenterrasse. Im Norden grenzt unmittelbar an das Grundstück die Wilde W, ein oberirdisches Gewässer zweiter Ordnung, das ein separates Buchgrundstück bildet. Etwa 25 m nördlich davon verläuft die Bundesstraße 1. Über das Grundstück beziehungsweise in seiner Nähe verlaufen mehrere, teils zertifizierte Wanderwege.

Die Kläger sind Eheleute. Sie kauften am 14. August 2018 mit von Notar N beurkundetem Kauvertrag vom Beigeladenen zu 1 das streitgegenständliche Grundstück und das Grundstück Flur-Nr. 2 der Gemarkung E Stadt S, Landkreis M, zu einem Gesamtkaufpreis von x Euro. Das letztgenannte unbebaute Grundstück grenzt nördlich, unmittelbar auf der anderen Seite der Wilden W, an und ist 628 qm groß. Die Ausübung des diesbezüglichen naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch das Landratsamt M greifen die Kläger im Parallelverfahren B 2 K 18.1160 an. Am 24. August 2018 ging beim Landratsamt L ein an das „Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, Gutachterausschuss, adressiertes Schreiben des den Kaufvertrag beurkundenden Notars N ein, mit dem er über den Kaufvertragsschluss informierte; eine einfache Fotokopie des Kaufvertrages war beigefügt. Der Vorstand des Beigeladenen zu 2 hat in seiner Sitzung am 18. Oktober 2018 beschlossen, dass der Beigeladene zu 2 aufgrund der „Naturoffensive Bayern“ ein neues Naturparkzentrum mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten schafft: Kulturlandschaft mit Flößerei; nachhaltige Nutzung der Landschaft; Wandern im W (Qualitätsregion wanderbares Deutschland). Zudem beschloss er, dass das künftige Naturparkzentrum neben der Funktion als Informationszentrum auch als Dienstsitz der neuen Naturpark-Ranger und Ausgangspunkt für deren Erlebnistouren, als Sitz der Geschäftsstellen von Naturpark N und Geopark G, als Schulungs- und Tagungszentrum gegebenenfalls mit Übernachtungsmöglichkeiten sowie zum Verkauf von regionalen Produkten dienen soll. Der Vorstand erklärte ferner, den Gasthof G als idealen Standort für das neue Naturparkzentrum anzusehen, und bat die Landratsämter L und M am 19. Oktober 2018 jeweils das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht zu seinen Gunsten auszuüben.

Das Landratsamt L übte mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht für das streitgegenständliche Grundstück gegenüber dem Beigeladenen zu 1 zugunsten des Beigeladenen zu 2 aus. Der Bescheid wurde am selben Tag zur Post gegeben und mittels „DHL ExpressEasy Prepaid National“ mit der Option „Briefkastenzustellung“ an den Beigeladenen zu 1 versandt, der ihm am 23. Oktober 2018 zuging. Ein Abdruck des Bescheids ging den Klägern am 24. Oktober 2018 per Post zu. Am 22. Oktober 2018 bat das Landratsamt L die Immobilien Freistaat Bayern um Erteilung ihres Einvernehmens.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 stimmte diese der Ausübung des Vorkaufsrechts unter dem Vorbehalt zu, dass der Beigeladene zu 2 den Erwerb aus eigenen Mitteln finanziert und die künftige Unterhaltung der Liegenschaft trägt.

Mit Schreiben des Bevollmächtigten der Kläger vom 14. November 2018, welches am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth einging, haben die Kläger Klage erheben und beantragen lassen, den Bescheid vom 22. Oktober 2018 aufzuheben.

Nichtamtliche Leitsätze
  1. Der Rechtfertigungsgrund für die Vorkaufsrechtsausübung (Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG), namentlich das Bedürfnis nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur, muss einen klaren inneren Bezug zum angrenzenden Gewässerabschnitt haben, der die Vorkaufsrechtsausübung gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayNatSchG ermöglicht. Die geplante Errichtung eines Naturparkzentrums rechtfertigt die Vorkaufsrechtsausübung daher vorliegend nicht.
  2. Zumindest in Fällen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bay-NatSchG muss der Rechtfertigungsgrund unmittelbar auf der Vorkaufsfläche oder allenfalls in engem räumlichem Zusammenhang damit verwirklicht werden. Eine bloße lockere, mittelbare Förderung des Bedürfnisses nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur auf der Vorkaufsfläche genügt daher nicht.
  3. Eine an den beim Landratsamt sitzenden Gutachterausschuss adressierte Mitteilung nach § 469 Abs. 1 BGB lässt die Ausübungsfrist des § 469 Abs. 2 BGB nicht anlaufen, weil das für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Landratsamt dadurch nicht zuverlässig Kenntnis von der Mitteilung erlangt.

VG Bayreuth, Urteil vom 10.09.2020, B 2 K 18.1161 (rechtskräftig)

Entnommen aus VBlBY 4/2022, S.131.