Rechtsprechung Bayern

Vertrag zwischen der Deutschen Bahn und einer Gebietskörperschaft

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§ 17a GVG; § 40 VwGO; §§/Art. 54 ff. (Bay)VwVfG ([Keine] Verweisung an die Zivilgerichtsbarkeit; Vertrag zwischen der Deutschen Bahn und einer Gebietskörperschaft über Bau von u. a. Bahnhof und Busbahnhof, Finanzierung und Grundstücksübertragung; Schwerpunkttheorie)

Nichtamtlicher Leitsatz:

Ob eine Streitigkeit eine öffentlich-rechtliche oder eine zivilrechtliche Rechtsstreitigkeit ist, bestimmt sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitbefangene Rechtsanspruch oder die sonstige streitbefangene Rechtsfolge hergeleitet wird. Nicht entscheidend ist dagegen die Einordnung der Maßnahme, die durch die Klage/den Antrag erstritten werden soll (hier: die Zahlung von Schadensersatz beziehungsweise die Feststellung, dass derartige Ansprüche bestehen).

Zum Sachverhalt:

Die Beschwerde der Klägerinnen richtet sich gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. März 2021, mit dem sich das Verwaltungsgericht für unzuständig erklärt und die Klage der Klägerinnen vom 23. Dezember 2019 an das Landgericht München II verwiesen hat.

Am 23. Januar 1987 schloss die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen (DB) mit der Beklagten eine Vereinbarung, wonach der bisherige „Bahnhof See“ umgestaltet und ein neuer „Bahnhof Nord“ einschließlich Park&Ride-Anlage und Busbahnhof geschaffen werden sollte. Der Haltepunkt am See sollte verkleinert werden und freiwerdende Flächen der Beklagten zur Neugestaltung der Seepromenade und weitere städtebauliche Maßnahmen übertragen werden. Gegenstand der Vereinbarung sind die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse notwendige Umgestaltung der Bahnanlagen in S, die Finanzierung dieser Maßnahmen und Regelungen zur Veräußerung der neben den umgestalteten Bahnanlagen liegenden Grundstücke der DB, die sich aus den Anlagen 1 und 2 der Vereinbarungergeben (§ 1).

In der Anlage 1 zur Vereinbarung sind unter anderem folgende wesentliche Maßnahmen aufgeführt: Bau von zwei Außenbahnsteigen mit höhenfreien, teilweise behindertenfreundlichen Bahnsteigzugängen, Ersatz der im derzeitigen Bahnhof S untergebrachten Anlagen für die Gepäck- und Expressgutabfertigung, Ersatz der im derzeitigen Bahnhof S vorhandenen Güterverkehrsanlagen mit den dazugehörigen Anschlüssen an die durchgehenden Hauptgleise, Anpassung der Signal- und Fernmeldeanlagen der Oberleitung und Starkstromanlagen an die veränderten Anforderungen, Grunderwerb für die vorgenannten Anlagen und vorsorgliche Berücksichtigung eines später gegebenenfalls erforderlichen Überholungsgleises, Reduzierung der Gleisanlagen am bisherigen Bahnhof auf zwei neuzubauende durchgehende Hauptgleise und ein Überholungsgleis, Bau einer S-Bahn-Wendeanlage, Neubau von einem Mittel- und einem Außenbahnsteig, Bau eines Stellwerks mit den für Mitarbeiter erforderlichen Sozialräumen, Anpassung der Signal- und Fernmeldeanlagen, Bau einer Eisenbahnbrücke über den Zugang zur Seepromenade, Abbruch der Bahnsteige und Zugangsanlagen im Bahnhof M.

Träger des Vorhabens zur Umgestaltung der Bahnanlagen ist die Beklagte (§ 2 Nr. 1). Die DB führt die Baumaßnahmen im Bereich der vorhandenen neu entstehenden Bahnanlagen durch. Grundlage dafür wird eine zwischen der Beklagten und der DB abzuschließende Planungsvereinbarung (§ 2 Nr. 4). Die Beklagte führt alle Baumaßnahmen außerhalb der Bahnanlagen durch (§ 2 Nr. 5). Daneben erhält die Vereinbarung umfangreiche Regelungen zur Kostentragung für Vorhaltungs- und Baukosten und Regelungen zur Grundstücksübertragung der DB an die Beklagte.

Mit Nachtrag vom 19. Februar 1987 wurde der skizzierte Rahmenplan durch eine neue Planbeilage, die die Situierung der Bauwerke zeigt, ergänzt. Die Planungsvereinbarung vom29. Januar 1990 konkretisiert die Vereinbarung vom 23. Januar 1987 samt ersten Nachtrag vom 19. Februar 1987. Mit Grundabtretungsvertrag vom 15. Juli 1993 übertrug die DB Teile der bereits zu diesem Zeitpunkt als entbehrlich eingestuften Grundstücke auf einen von der Beklagten genannten Erwerber (§ 5Nr. 1 der Vereinbarung 1987). „Gemäß notarieller Vereinbarung vom 23. Januar 1987“ schlossen die Parteien am30. September/3. beziehungsweise 12.November eine Vereinbarung über die Herstellung von zwei neuen Kreuzungen in Anlehnung an das Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG) und eine Vereinbarung über eine Maßnahme an einer Überführung nach§ 12EKrG.

Am 8.Mai 2006 schlossen die Klägerinnen und die Beklagte eine weitere Vereinbarung, wonach der „Bahnhof See“ bereits vor Abschluss der Planfeststellungsverfahren und Fertigstellung der Bahnanlagen an die Beklagte übereignet wurde, die im Gegenzug auf die Geltendmachung von ihr behaupteter Vertragsanpassungsansprüche verzichtete. Eine Vertragsanpassung war nach Auffassung der Beklagten erforderlich geworden, weil Teile des „Bahnhofs Nord“ nicht förderfähig waren und daher der von der Beklagten zu leistende Finanzierungsanteil höher als vertraglich vereinbart war. Zudem wurde mit der Vereinbarung der für den „Bahnhof Nord“ erforderliche Grunderwerb vorgenommen. Der „Bahnhof Nord“ wurde genehmigt, entsprechend der Vereinbarung errichtet und im Jahr 2001 eröffnet. Die vorgesehenen Maßnahmen zum Umbau des „Bahnhofs See“ wurden bislang nicht durchgeführt. Nachdem bezüglich des Teilprojekts „Bahnhof See“ zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt wurde, forderten die Klägerinnen von der Beklagten Schadensersatz statt der Leistung für den nicht durchgeführten Teil der Verträge.

Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 erhoben die Klägerinnen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragten, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen 170 436 794,46 Euro nebst Zinsen zu bezahlen (Klageantrag zu I.), festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen die gesetzliche Umsatzsteuer zu bezahlen (§ 2 Nr. 1 des Vertrages vom 23.01.1987), weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche Bau- und Grunderwerbskosten sowie sämtliche Vorhaltungskosten für den „Bahnhof See“ sowie sämtliche Kosten für den Rückbau des Haltepunkts „M“ zu erstatten, soweit diese Kosten über den Zahlbetrag laut dem Klageantrag zu I. hinausgehen, weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche für das Bauvorhaben „Bahnhof See“ erforderlich werdenden Grundstücke zu beschaffen und zu übereignen, hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageanträge, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen 6 646 794,46 Euro zu bezahlen sowie die Grundstücke Gemarkung S Flurstücke 51, 53 und 54 an die Klägerinnen zurück zu übereignen, weiterhin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen die ihnen vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in gesetzlicher Höhe zu erstatten.

Mit Beschluss vom 8.März 2021 erklärte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht München II.

 

BayVGH, Beschluss vom 15.12.2021, 22 C 21.951

Lesen sie den kompletten Beitrag im BayVBl 12/2022.