Rechtsprechung Bayern

Dachterrasse auf dem Flachdach im unbeplanten Innenbereich

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Das Verwaltungsgericht Augsburg (VG) beschäftigte sich in dem unten vermerkten, rechtskräftigen Urteil vom 17.6.2020 mit der Frage, ob die vom Kläger im unbeplanten Innenbereich auf dem Flachdach eines Mehrfamilienhauses vorgesehene Dachterrasse samt Absturzsicherung eine geschossähnliche Wirkung hat und inwiefern dies im Rahmen des Maßes der baulichen Nutzung zu berücksichtigen ist.

Die beantragte Absturzsicherung wies eine Höhe von 0,90 m auf und reichte an zwei Gebäudeseiten bis auf 1 m bzw. 1,10 m an die geplante Gebäudekante heran, auf den anderen beiden Gebäudeseiten betrug der Abstand 2,265 m bzw. 5,265 m. Die Genehmigungsbehörde hat die Genehmigung für die Dachterrasse mit der Begründung abgelehnt, das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. In der Umgebung seien keine Dachterrassen auf Flachdächern vorhanden. Die hiergegen erhobene Klage wies das VG ab. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass sich das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung mangels Referenzobjekten nicht in die Umgebung einfügt. Dem Urteil entnehmen wir:

1. Nähere Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB

„Maßgebliche nähere Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.6.20192) – 4 C 10.18 – juris Rn. 11 m.w.N.). Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der Merkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert zu ermitteln. Bei dem hier in Rede stehenden Nutzungsmaß ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7.12.2015 – 2 ZB 14.1965 – juris Rn. 3 m.w.N.). Meist führt die größere Nähe zu einer stärker prägenden Wirkung (BayVGH, Urteil vom 20.12.20123) – 2 B 12.1977 – juris Rn. 28). Bei einem – wie hier – inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben gilt als Bereich gegenseitiger Prägung in der Regel das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 27.9.2010 – 2 ZB 08.277 – juris Rn. 7). Stets ist jedoch eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris, Ls 2 und Rn. 5 ff.).“ […]

4. Eine Dachterrasse kann aufgrund ihrer Vorbildwirkung bodenrechtliche Spannungen auslösen (hier bejaht)

„Dass sich das Vorhaben, obwohl es bei wertender Gesamtbetrachtung der für das Maß der baulichen Nutzung einschlägigen Kriterien wesentlich über den bisher vorhandenen Rahmen hinausgeht, dennoch in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, weil es nicht geeignet ist, bodenrechtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 8.12.2016 – 4 C 7.15 – BVerwGE 157, 1 = juris Rn. 21), ist nicht anzunehmen. Denn es beschwört die Gefahr herauf, dass der gegebene Zustand in negativer Richtung in Bewegung gebracht wird. Davon ist nämlich regelmäßig auszugehen, wenn – wie hier – der von der Bebauung bisher eingehaltene Rahmen überschritten wird, ohne dass dies durch irgendeine Besonderheit begründet wäre, durch die sich das Baugrundstück von den Nachbargrundstücken unterscheidet (BVerwG, Beschluss vom 25.3.1999 – 4 B 15.99 – juris Rn. 6 m.w.N.). Gerade im Hinblick darauf, dass in der näheren Umgebung bereits mehrere Flachdachgebäude vorhanden sind, die sich für die Errichtung von Dachterrassen oberhalb des obersten Geschosses eignen würden, ist davon auszugehen, dass Bauanträge für weitere Dachterrassen gestellt würden, bei deren Beurteilung das klägerische Gebäude als Referenzobjekt berücksichtigt werden müsste. Besonderheiten für das klägerische Grundstück könnten nicht angeführt werden.“

Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 17.6.2020 – Au 4 K 20.168

Den kompletten Beitrag lesen Sie in FstBY 14/2022, Rn. 171.