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Anspruch auf Überschreitung der Regelfrist des § 14 Abs. 2 WHG

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Eine wasserrechtliche Bewilligung wird gemäß § 14 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) für eine bestimmte angemessene Frist erteilt, die in besonderen Fällen 30 Jahre überschreiten darf. Mit folgendem Sachverhalt hatte sich das Verwaltungsgericht Augsburg (VG) im unten vermerkten rechtskräftigen Urteil vom 31.1.2022 zu beschäftigen:

Die Klägerin ist ein Energieversorger, der ausschließlich in kommunaler Trägerschaft steht und mehrere Gemeinden vorwiegend mit Elektrizität beliefert. Die Klägerin betreibt hierzu sieben kleinere und mittlere Wasserkraftwerke. Die wasserrechtliche Bewilligung hierfür war zuletzt bis zum 31.12.2014 befristet. Mit Bescheid des Landratsamtes wurde der Klägerin 2018 eine neue wasserrechtliche Bewilligung für den 2014 beantragten Aufstau befristet bis zum 31.12.2048 erteilt; an dieser Frist hielt das Landratsamt auch in einem Änderungsbescheid 2020 fest. Mit ihrer Klage möchte die Klägerin eine Befristung bis 31.12.2065 erreichen, da sich das Vorhaben erst dann wirtschaftlich für sie rechne. Das VG bestätigte einen Anspruch der Klägerin auf die begehrte Befristung bis 31.12.2065 und führt hierzu Folgendes aus:

  1. Wann darf die in § 14 Abs. 2 WHG genannte Regelfallgrenze von 30 Jahren Bewilligungsdauer überschritten werden?

„Welche Bewilligungsdauer im konkreten Fall als angemessen anzusehen ist, kann der Vorschrift des § 14 Abs. 2 WHG nicht entnommen werden. Die in § 14 Abs. 2 WHG genannte Frist von 30 Jahren stellt zwar dem Grundsatz nach die Höchstgrenze für den Regelfall dar. Das bedeutet aber auch, dass bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall 30 Jahre überschritten werden können. Bei der Bestimmung der Frist ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die Belange des Gemeinwohls im Sinne des § 12WHG und die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 3 bis 6 und § 16WHG genannten Kriterien gegeneinander abzuwägen sind. Zu berücksichtigen sind daher auf der einen Seite die Interessen des Unternehmers, insbesondere an einem wirtschaftlichen Betrieb der Anlage, und auf der anderen Seite die Interessen der Allgemeinheit an einer nicht zu langfristigen Festlegung wasserwirtschaftlicher Benutzungsverhältnisse. Im Zusammenhang mit der Entscheidung, welche Frist im konkreten Fall als angemessen anzusehen ist, ist auch die Ausgestaltung der Bewilligung von Bedeutung. Stellt diese durch entsprechende Auflagen und anderweitige Nebenbestimmungen eng gefasste Anforderungen an den Betrieb der Anlage, indiziert dies die Möglichkeit einer längeren Befristung…

Die Rechtfertigung für eine längere Laufzeit in diesem Fall beruht auf dem Gedanken, dass durch enggefasste Benutzungsbedingungen und durch den Vorbehalt nachträglicher Auflagen (vgl. § 13Abs. 2 und 3WHG) den wasserwirtschaftlichen Belangen für die Zukunft ausreichend Rechnung getragen werden kann. Gründe für eine längere Befristungsdauer können auch in Fällen der öffentlichen Wasserversorgung oder bei gemeinnützigen Kraftwerken vorliegen, weil hier wegen des Wohls der Allgemeinheit eine Wasserbenutzung über eine längere Zeitspanne gerechtfertigt ist…

Vor dem Hintergrund, dass § 14 WHG insbesondere auch dem Investitionsschutz dient, ist die Amortisierungsdauer für die vom Unternehmen getätigten Investitionen in die Erwägungen einzubeziehen. So kann ein besonderer Fall im Sinn des § 14 Abs. 2 WHG auch dann angenommen werden, wenn nicht nur die Voraussetzungen des § 14Abs. 1WHGvorliegen, sondern die erforderlichen Investitionen nicht innerhalb von 30 Jahren erwirtschaftet werden können.“

  1. Plausibilität der Wirtschaftlichkeitsberechnung

„Die Klägerin hat durch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung … und die in der mündlichen Verhandlung hierzu vorgenommenen Erläuterungen plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass sich unter Berücksichtigung der im streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid vom Beklagten geforderten Maßnahmen die von der Klägerin für die Weiterbewirtschaftung der Anlage aufzubringenden Investitionen frühestens im Jahr 2066 amortisiert haben werden. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung beruht auch auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, da die in die Berechnung eingestellten Investitionen bei der Berechnung Berücksichtigung finden können. Dieses gilt insbesondere für die Kosten für die Dammsanierung in Höhe von insgesamt 3,3 Millionen Euro. Die vom Beklagten gegen die Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgebrachten Einwände führen zu keinem anderen Ergebnis …

Der Klägerin kann auch nicht der Einwand entgegengehalten werden, sie habe in der Vergangenheit notwendige Unterhaltungsmaßnahmen unterlassen, was nun einen erhöhten Investitionsbedarf zur Folge habe. Dieser könne daher im Rahmen der Entscheidung über die Laufzeit der Bewilligung nicht mehr berücksichtigt werden. Die vom Beklagten insoweit – unsubstanziiert – in den Raum gestellten Vorwürfe sind durch keine konkreten Nachweise belegt und werden von der Klägerin ausdrücklich bestritten. Sollten in der Vergangenheit notwendige Unterhaltsmaßnahmen unterblieben sein, die für den ordnungsgemäßen Zustand der Anlage erforderlich gewesen wären, hätte dem durch Maßnahmen der Gewässeraufsicht entgegengewirkt werden können. Entsprechende Maßnahmen wurden jedoch nicht ergriffen. Auch lässt das Genehmigungsverfahren keinen Schluss darauf zu, dass die Klägerin ihren Pflichten zum ordnungsgemäßen Unterhalt der Anlage nicht nachgekommen wäre.

Entgegen der Auffassung des Beklagten zählen die für die Dammsanierung angesetzten Kosten in Höhe von 3,3 Millionen Euro nicht zu den laufenden Unterhaltskosten, sondern sind als Investitionskosten im Rahmen der Finanzierungsplanung berücksichtigungsfähig. Die Unterhaltung einer Anlage ist darauf ausgerichtet, die bestehenden Einrichtungen in ihrem ordnungsgemäßen bau- und betriebstechnischen Betriebszustand zu erhalten. Sie umfasst neben Betriebskontrollen die Wartung und Reparatur, gegebenenfalls auch vom bisherigen bautechnischen Zustand der Anlage nur unwesentlich abweichende, auf die Gewässerverhältnisse keinen Einfluss nehmende bauliche Modifikationen. Wesentliche Änderungen der baulichen Anlagen fallen nicht unter den Begriff einer Unterhaltungsmaßnahme …

Schon der Umstand, dass die Anpassung der Dämme und Deiche an die neue Freibordbemessung, die Erstellung einer Erosionssicherung an den wasserseitigen Dämmen, der Bau von Pflegewegen und Deichfußdrainagen der Genehmigungspflicht unterliegen, spricht gegen die Auffassung, dass es sich bei den für die Maßnahmen veranschlagten Kosten um nicht berücksichtigungsfähige Unterhaltskosten handelt. Auch ist die streitgegenständliche Bewilligung an die Erfüllung der in den Nebenbestimmungen …detaillierten und umfangreichen Vorgaben zur Umsetzung dieser Maßnahmen geknüpft.

Der Klägerin kann auch nicht vorgehalten werden, sie habe es unterlassen, die notwendige Ertüchtigung der Stauanlagen im vorangegangenen Bewilligungszeitraum umzusetzen. Der Umfang der Sanierung und Verbreiterung der Dämme beruht auf der Regelung in § 36 WHG, einer neu aufgenommenen Regelung im Wasserhaushaltsgesetz, die als Teil des Wasserrechtneuregelungsgesetzes (BGBl S. 2585) am 1.3.2010 in Kraft trat. Die Anforderungen an die technische Ausgestaltung der Stauanlagen und Stauhaltungsdämme sind in § 36 Abs. 2 WHG geregelt, eine Vorschrift, die erst durch das Hochwasserschutzgesetz II vom 30.7.2017 (BT-Drs. 18/10879) in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügt worden ist. Dafür, dass die Klägerin die Anlagen nach den im jeweiligen Zeitraum bestehenden Vorschriften nicht ausreichend unterhalten hat, gibt es keine Anhaltspunkte. Da die Stauanlagen einen notwendigen Bestandteil der Wasserkraftanlage darstellen, müssen die für diese aufzuwendenden Kosten bei der Gesamtbetrachtung der Investitionskosten der Anlage berücksichtigt werden. Der Einwand des Beklagten, der Investitionsbedarf bezüglich der Notwendigkeit der Anpassung der Dämme sei im Zeitpunkt des Bewilligungs- bzw. Genehmigungsantrags bekannt, ändert nichts an der Notwendigkeit und Berücksichtigungsfähigkeit dieser Investitionen. Auch der Einwand, die Klägerin hätte den Investitionsbedarf im vorangegangenen Bewilligungszeitraum durch eine Rücklagenbildung absichern können, greift nicht durch. Die Bildung von Rücklagen ist nur unter Beachtung der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätze möglich und an konkrete Maßnahmen oder Ereignisse geknüpft. Der Klägerin kann deshalb nicht vorgehalten werden, dass sie die erst im Jahr 2017 eingeführte Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben an die technischen Anforderungen ihrer Anlagen nicht durch Rücklagen abgesichert hat. Weitergehende substanzielle Einwendungen gegen die Wirtschaftlichkeitsberechnung … wurden vom Beklagten nicht erhoben.“

Entnommen aus FStBY 14/2022, Nr. 172.