Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) v o m 12.1.2022 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, welches direkt an den Straßenkörper angrenzt, einen Bordstein oder Gehweg gibt es nicht. Zur Straße hin ist das Grundstück eingefriedet mit einem Gartenzaun und einer Thujenhecke. Nach mehreren erfolglosen schriftlichen Aufforderungen verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin mit Bescheid, den Bewuchs, der entlang der Nordgrenze ihres Grundstücks in den Straßenraum hineinragt, bis spätestens drei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids so weit zurückzuschneiden, dass über der Fahrbahn eine lichte Höhe von mindestens 4,50 m frei von Bewuchs ist. Der Sofortvollzug wurde angeordnet und ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro angedroht für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des geforderten Rückschnitts innerhalb der gesetzten Frist.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Pflanzenbewuchs stellenweise über 1 m in den Straßenraum hineinrage und durch die Verengung des Straßenraums die Sicherheit und Leichtigkeit vor allem des Begegnungsverkehrs beeinträchtigt sei. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Der VGH wies die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin zurück und führt Folgendes aus:
1. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Rückschnitts
„Der angegriffene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) i.V.m. Art. 66 Nr. 4, Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG). Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG dürfen unter anderem Anpflanzungen aller Art nicht angelegt werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Die Zuwiderhandlung ist durch Art. 66 Nr. 4 BayStrWG zur Ordnungswidrigkeit erklärt. Für die erforderlichen Anordnungen zur Beseitigung verbotswidriger Behinderungen ist der Sicherheitsbehörde in Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG die entsprechende Befugnis eingeräumt worden. Ob der Senat an der Auffassung festhält, dass als öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage für die Beseitigung der in den Lichtraum einer angrenzenden Verkehrsfläche hineinragenden Anpflanzungen allein das Regime des Art. 29 BayStrWG heranzuziehen ist (BayVGH, Urteil vom 15.12.20041) – 8 B 04.1524 – BayVBl 2005, 274; Beschluss vom 10.8.2017 – 8 ZB 15.1428 – BayVBl 2018, 385 = juris Rn. 14), kann offenbleiben. Die zusätzliche Heranziehung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG hat keinen Einfluss auf das Ergebnis (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.8.2017 a.a.O. juris Rn. 14).“
2. Erfasst Art. 29 Abs. 2 BayStrWG auch Anpflanzungen, die bereits vor dem Bau der Straße vorhanden waren?
„Entgegen der Auffassung der Beschwerde bestand keine Veranlassung festzustellen, ob zuerst die Straße oder zuerst die Anpflanzung vorhanden war. Der von der Beschwerde aus Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG2) gezogene Umkehrschluss, die Antragsgegnerin könne lediglich die Duldung der Beseitigung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG verlangen, wenn die Anpflanzungen der Antragstellerin zeitlich vor der Straße existent gewesen seien, trifft nicht zu. Zum einen bezieht sich die Formulierung ,bereits vorhanden‘ inArt. 29Abs. 2 Satz 2 BayStrWG auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung am 1.9.1958…Zum anderen ist einer Gesamtschau von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 zu entnehmen, dass von Satz 1 nicht nur das Neuanlegen von Anpflanzungen nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung erfasst ist, sondern auch das Wachsen lassen der Pflanzen, die erst während der Geltung der Vorschrift die Sicht behindern und dadurch die verbotene Wirkung eintritt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 4.4.1995 – 3 ObOWi 30/95 – BayVBl 1995, 541 = juris Rn. 5;Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand März 2020,Art. 29Rn. 26). Selbstwenn die Auffassung der Antragstellerin zutreffen würde, wäre die Anordnung dennoch zutreffend auf Art. 29Abs. 2 Satz 1 BayStrWG gestützt worden, da nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners die Straße …1963 in das Straßenbestandsverzeichnis aufgenommen und das Haus der Antragstellerin erst im Jahr 1965 errichtet wurde.“
Lesen sie den gesamten Beitrag in der FstBY 14/2022, Rn. 173.