Rechtsprechung Bayern

Elektronische Wasserzähler mit Funkfunktion

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Im unten vermerkten (Eil-)Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) vom 7.3.2022 ging es um die Frage, ob die Träger öffentlicher Wasserversorgungseinrichtungen die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke verpflichten können, zum Zwecke des Einbaus eines elektronischen Wasserzählers mit Funkmodul Zugang zu ihren Räumlichkeiten zu gewähren.

Die Antragsteller besaßen eine selbstgenutzte Wohnung in einem Zweifamilienhaus, dessen andere Wohnung von den Eltern der Antragstellerin bewohnt wurde. Der Wasserzähler erfasste nicht den Verbrauch in den einzelnen Wohneinheiten, sondern nur den Gesamtverbrauch des Hauses. Dem angekündigten Einbau eines elektronischen Wasserzählers widersprachen die Antragsteller und bestritten die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der geplanten Maßnahme. Nachdem der Wasserversorger, ein kommunaler Zweckverband, sie durch einen sofort vollziehbaren Bescheid zur Gewährung des Zutritts zu ihrer Wohnung zum Zweck des Austauschs des bisherigen Zählers gegen einen elektronischen Wasserzähler verpflichtet hatte, erhoben sie hiergegen Anfechtungsklage und beantragten zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab. Die von den Antragstellern dagegen erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung des VGH ist auf folgende Erwägungen gestützt:

1. Die satzungsrechtlich begründete Verpflichtung zur Gestattung des Zutritts zu Räumen, in denen sich Einrichtungen der Wasserversorgung befinden, ist mit dem Wohnungsgrundrecht vereinbar

„Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist die auf Art. 22 Abs. 2 KommZG, Art. 24 GO beruhende Bestimmung des § 25 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung (Wasserabgabesatzung – WAS) des Antragsgegners …, die mit der amtlichen Mustersatzung übereinstimmt.

Danach kann der Antragsgegner zur Erfüllung der nach dieser Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Diese Befugnisnorm zielt, wie sich schon aus ihrem generalklauselartig formulierten Wortlaut ergibt, entgegen dem Vortrag der Antragsteller nicht bloß auf die in § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 WAS genannten bußgeldbewehrten Verstöße, sondern auf alle Arten von Pflichtverletzungen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8.3.20191) – 4 CE 18.2597 – NVwZ-RR 2019, 833 Rn. 9).

Zu den satzungsrechtlich begründeten Pflichten der angeschlossenen Grundstückseigentümer gehört die in § 13 Abs. 1 Satz 1WAS normierte, auf Art. 24 Abs. 3 GO beruhende Verpflichtung, den Beauftragten des Antragsgegners den Zutritt zu allen der Wasserversorgung dienenden Einrichtungen zu gestatten, soweit dies zur Prüfung, ob die Vorschriften der Satzung erfüllt werden, erforderlich ist. In dem damit zugelassenen Betreten von Räumen, die zu einer Wohnung gehören, liegt bei fehlender Einwilligung zwar ein Grundrechtseingriff im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG.

Dieser ist aber gerechtfertigt, da die Überwachung und Instandhaltung der aus Gründen des Gesundheitsschutzes (§ 37 IfSG) betriebenen öffentlichen Trinkwasserversorgungseinrichtung, für die ein Anschluss- und Benutzungszwang gilt (§ 5 WAS), im Sinne eines vorbeugenden Schutzes dazu dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 13.2.1964 – BvL 17/61 u. a. – BVerfGE 17, 232/ 251 f.; LT-Drs. 17/19804 S. 2).

Bestandteil der dem Betretungsrecht unterliegenden öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung sind auch die auf den Grundstücken bzw. in den Gebäuden nach der Hauptabsperrvorrichtung angebrachten Wasserzähler (§ 3 WAS). Für ihre Aufstellung, technische Überwachung und Auswechslung hat der Antragsgegner zu sorgen, wobei er Art, Zahl, Größe und Aufstellungsort bestimmen kann (§ 19 Abs. 1 Satz 2 WAS). Die in diesem Zusammenhang notwendigen Installations- und Wartungsarbeiten sind nur möglich, wenn seinen Beauftragten der Zutritt zu den Räumen gewährt wird, in denen sich die Geräte befinden oder installiert werden sollen. Aus § 19 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 WAS folgt daher eine entsprechende Handlungs- und Duldungspflicht der Grundstückseigentümer, die mittels Einzelfallanordnungen nach § 25WAS durchgesetzt werden kann.“

2. Wenn ein Satzungsgeber von der speziellen Ermächtigung zum Betrieb elektronischer Wasserzähler Gebrauch macht, ist er zugleich an die dafür geltenden gesetzlichen Beschränkungen gebunden

Der bayerische Gesetzgeber hat für diese Fallkonstellation spezielle Schutzvorschriften erlassen:

„Die den Antragstellern auferlegte Verpflichtung, den Zugang zu ihrem Wasserzähler zum Zwecke der Überprüfung und des Austauschs zu gewähren, war nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner damit erklärtermaßen den Zweck verfolgte, gemäß § 19a WAS einen elektronischen Wasserzähler mit Funkmodul zu installieren. Hierin lag kein unzulässiger Eingriff in Grundrechte oder einfachgesetzliche Rechtspositionen der Antragsteller.

Die mit § 19a Abs. 1 WAS eröffnete Möglichkeit, elektronische Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul einzusetzen und zu betreiben, beruht auf der speziellen Satzungsermächtigung in Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO, die anlässlich der Neufassung des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Gesetz vom 15.5.2018, GVBl S. 230)2) in die Gemeindeordnung aufgenommen wurde, um für die damit verbundenen Grundrechtseingriffe eine gesetzliche Grundlage zu schaffen (LT-Drs. 17/19628 S. 56). Macht ein kommunaler Satzungsgeber von dieser Regelungsoption Gebrauch, ist er auch an die nachfolgenden Vorschriften des Art. 24 Abs. 4 Satz 2 bis 7 GO gebunden, die die Nutzung der auf diese Weise gewonnenen Daten beschränken und den Gebührenschuldnern und Grundstückseigentümern unter bestimmten Umständen ein Widerspruchsrecht gegen die Verwendung der Funkfunktion einräumen.

Der hiernach vom Gesetzgeber nur unter engen Voraussetzungen zugelassene Einsatz von elektronischen Wasserzählern mit Funkfunktion verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Im fortlaufenden Betrieb solcher Messgeräte liegt weder ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch ergeben sich daraus nach derzeitigem Erkenntnisstand Gesundheitsgefahren für die Bewohner.“

3. Für die mit der elektronischen Verbrauchserfassung verbundene Datenverarbeitung besteht in Gestalt von Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO die unions- und verfassungsrechtlich geforderte gesetzliche Grundlage

Dass im Messen des Wasserverbrauchs ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff liegt, begründet der VGH wie folgt:

„Die in einem elektronischen (Funk-)Wasserzähler erfassten Verbrauchsmengen stellen allerdings, wenn und soweit sich daraus Rückschlüsse auf das individuelle Verbrauchsverhalten einzelner Personen ziehen lassen, personenbezogene Daten der Bewohner oder sonstigen Nutzer des betreffenden Anwesens dar. Insoweit reicht es nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO aus, dass eine bestimmte natürliche Person direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie etwa einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten oder zu einem besonderen identitätsprägenden Merkmal identifiziert werden kann (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 – 7 C 20.12 – BVerwGE 151, 1 Rn. 41 m.w.N.). Dies ist beim Betrieb eines Wasserzählers zumindest dann der Fall, wenn die aufgezeichneten Verbrauchsdaten eine Wohnung oder eine sonstige Gebäudeeinheit betreffen, die von einer einzelnen Person genutzt wird. Aber auch bei gemeinsamer Nutzung durch mehrere Personen lassen sich, wenn der Wasserverbrauch durch einen elektronischen Zähler kontinuierlich aufgezeichnet wird, unter Umständen mit nur geringem Zusatzwissen Rückschlüsse auf die Verbrauchsgewohnheiten Einzelner ziehen (vgl. Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 5.1.2021 – 1C_273/2020 – EuGRZ 2021, 228 juris Rn. 36).

Hiernach liegt jedenfalls in bestimmten Fallkonstellationen in dem Erfassen, Speichern und elektronischen Auslesen oder Übermitteln des Wasserverbrauchs der angeschlossenen Grundstücke eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Diese ist, sofern keine Einwilligung vorliegt (Art. 4 Nr. 11 DSGVO), nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e DSGVO nur rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist. Die dafür nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO notwendige Rechtsgrundlage hat der Bayerische Gesetzgeber mit der in Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO enthaltenen Sonderregelung zum Einsatz und Betrieb derartiger Wasserzähler geschaffen (vgl. LT-Drs. 17/19628 S. 56). Entgegen dem Vortrag der Antragsteller genügt diese Satzungsermächtigung, die nur die in Abs. 1 Nr. 2 genannten Wasserversorgungseinrichtungen mit Anschluss- und Benutzungszwang erfasst, sowohl den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e DSGVO als auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in das nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.“

4. Die Umstellung von analogen auf fernablesbare digitale Wasserzähler ist zur Erfüllung der öffentlichen Wasserversorgungsaufgabe geeignet

In diesem Zusammenhang sind die besonderen Vorteile einer elektronischen Verbrauchserfassung zu berücksichtigen:

„Der mit der Verarbeitung personenbezogener Daten unter bestimmten Umständen verbundene Rechtseingriff dient der Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe und verfolgt damit einen legitimen Zweck. Die Versorgung mit Trinkwasser ist eine zur Daseinsvorsorge gehörende gemeindliche Pflichtaufgabe (Art. 83 Abs. 1 BV; Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO; § 50 Abs. 1 WHG), die im Wege der kommunalen Zusammenarbeit wahrgenommen werden kann. Die aus Gründen des öffentlichen Wohls betriebenen Wasserversorgungseinrichtungen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO) erfüllen mit dem Betrieb von Wasserzählern ihre aus § 18 Abs. 1 und 2, § 35 AVBWasserV (Verordnung vom 20.6.1980, BGBl I S. 750) folgende Verpflichtung, die von den Kunden verbrauchten Wassermengen mittels funktionierender Messeinrichtungen festzustellen.

Den Einrichtungsträgern steht hierbei auch kraft Bundesrechts das alleinige Recht zu, die Art des Wasserzählers zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 21.4.20103) – VIII ZR 97/09 – NJW-RR 2010, 1162 juris Rn. 11). Der Einsatz elektronischer Verbrauchserfassungsgeräte ist ihnen nicht deshalb verwehrt, weil diese keiner Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bedürfen.

Die Wasserversorger sind unabhängig davon für die Einhaltung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. f, Art. 32 DSGVO verantwortlich. Siemüssen sich daher vor dem Einsatz elektronischer (Funk-)Wasserzähler bei dem Gerätehersteller vergewissern, dass die gespeicherten und übermittelten Daten durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen ausreichend vor dem Zugriff unberechtigter Dritter geschützt sind (LT-Drs. 17/19804 S. 2).

Die Umstellung von den nur vor Ort ablesbaren analogen Wasserzählern auf fernablesbare digitale Geräte, mit denen neben dem Wasserverbrauch weitere Informationen wie etwa der Wasserdurchfluss oder die Wassertemperatur elektronisch erfasst, gespeichert und übermittelt werden können, ist zur effizienten und ressourcenschonenden Erfüllung der öffentlichen Versorgungsaufgabe geeignet. Sie dient insbesondere dazu, den Personalaufwand für eine genaue Verbrauchsermittlung zu vermindern und technische Defekte, die zu Undichtigkeiten im Leitungsnetz oder zu Gefahren für die Trinkwasserhygiene führen können, früher und zielgenauer zu erkennen (vgl. LT-Drs. 17/19804 S. 2; Knoblauch, KommP BY 2017, 317/318).“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7.3.2022 – 4 CS 21.2254

Entnommen aus der Fundstelle Bayern 16/2022, Rn. 192.