Rechtsprechung Bayern

Übermittlung und anderweitige Verarbeitung personenbezogener Daten

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Art. 60a PAG (Popularklage; Zuverlässigkeitsüberprüfung; Erhebung, Übermittlung und anderweitige Verarbeitung personenbezogener Daten; Datenverarbeitung der Polizei; Gesetzgebungskompetenz; Gefahrenvorsorge; Rechtsstaatsprinzip; Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung; Gebot der Normbestimmtheit; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Risiko; Zuverlässigkeit; Bestimmtheit; Berufsfreiheit; Pressefreiheit)

Amtliche Leitsätze:

  1. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung gemäß Art. 60a Abs. 1 bis 4 PAG greift in mehrfacher Hinsicht in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100 i. V. m. Art. 101 BV) ein. Die erforderliche Zustimmung der Betroffenen setzt zwar eine umfassende Information über Ablauf und Inhalt des polizeilichen Überprüfungsverfahrens voraus, lässt den Eingriffscharakter aber mangels echter Wahlfreiheit nicht entfallen.
  2. Die Regelungen erfüllen die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an die Bestimmtheit und Normenklarheit gesetzlicher Regelungen, die zu Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigen. Der Gesetzgeber hat insbesondere den Anlass der Datenverarbeitung sowie den Zweck, zu dem diese erfolgt und zu dem die dadurch erlangten Erkenntnisse verwendet werden dürfen, noch hinreichend präzise und normenklar festgelegt. Auch enthält die Norm eine ausreichende Beschreibung der Eingriffsvoraussetzungen und der Einschränkung der Eingriffsbefugnisse. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in den Regelungen ist weder im Einzelnen noch insgesamt verfassungsrechtlich zu beanstanden. Auch hinsichtlich der Bestimmtheit des persönlichen Anwendungsbereichs bestehen trotz des grundsätzlich weitgefassten Personenkreises, der einer polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen werden kann, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
  3. Art. 60a Abs. 1 bis 4 PAG genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die normierten polizeilichen Befugnisse zur Datenverarbeitung für die Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Person „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ verfolgen unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums mit der Gefahrenvorsorge zum Schutz von Personen und Objekten einen legitimen Zweck, sind zur Zielerreichung geeignet und erforderlich und verstoßen nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinn.
  4. Etwaige Eingriffe in die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 101 BV) und der Pressefreiheit (Art. 111 BV) durch die Bestimmungen sind ebenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Zum Sachverhalt:

Der Antragsteller, der Landesverband Bayern einer politischen Partei, begehrt mit seiner mit Schriftsatz vom 5. August 2021 erhobenen Popularklage die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 60a des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl. S. 397, BayRS 2012-1-1-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 23. Juli 2021 (GVBl. S. 418) geändert worden ist. Zugleich beantragt er, im Weg einer einstweiligen Anordnung Art. 60a PAG vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.

BayVerfGH, Entscheidung vom 17.05.2022, Vf. 47-VII-21

Entnommen aus BayVBl. 20/2022, S. 702.