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Unerlaubte Einfuhr von Marihuana: Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

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Ein Beamter beging durch unerlaubte Einfuhr von 155 g Marihuana – wenngleich zum Eigengebrauch – im Rahmen einer Beschaffungsfahrt bis nach Amsterdam ein derart schweres außerdienstliches Dienstvergehen, dass unter Berücksichtigung des Vorzeigens des Dienstausweises bei der polizeilichen Kontrolle trotz erfolgreicher Suchtbehandlung ein vollständiger Vertrauensverlust und damit die Höchstmaßnahme angenommen wird. Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt und strafrechtlich mit acht Monaten Freiheitsstrafe abgeurteilt.

Sachverhalt:

Der Kläger begehrte erfolgreich im Wege der Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten als Beamten aus dem Beamtenverhältnis wegen eines außerdienstlichen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der am …. Januar 1972 geborene Beklagte ist seit dem 1. November 1999 Beamter auf Lebenszeit im Polizeivollzugsdienst der zweiten Qualifikationsebene und wurde am 1. Januar 2011 zum Polizeihauptmeister in der Besoldungsgruppe A 9 ernannt. Ein Persönlichkeitsbild weist ein jederzeit loyales und ehrliches Verhalten Kollegen und Vorgesetzten gegenüber sowie ein stetes Bemühen um gute Arbeitsleistung aus. Der Beamte ist disziplinarrechtlich und strafrechtlich mit Ausnahme des im vorliegenden Disziplinarverfahren gegenständlichen strafrechtlichen Vorwurfs nicht vorbelastet. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Krefeld wurde er zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.

DG BY – Art. 11

BeamtStG – §§ 33 ff., 47

Durch das Vorzeigen seines Dienstausweises bei einer unerlaubten Einfuhr von Marihuana zum Eigenbedarf verstieß der Beklagte gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, sodass seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt ist.

Verwaltungsgericht München (Urt. v. 9.5.2022 – M 13L DK 19.806 – Verlags-Archiv Nr. 22-10-04)

Aus den Gründen:

Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Der Beklagte hat – wenngleich zum Eigengebrauch – durch eine strafrechtlich mit acht Monaten Freiheitsstrafe abgeurteilte – unerlaubte Einfuhr von 155 g Marihuana im Rahmen einer Beschaffungsfahrt bis nach Amsterdam ein derart schweres außerdienstliches Dienstvergehen begangen, dass unter Berücksichtigung des Vorzeigens des Dienstausweises bei der polizeilichen Kontrolle trotz erfolgreicher Suchtbehandlung ein vollständiger Vertrauensverlust und damit die Höchstmaßnahme angenommen wird.

Der Beklagte hat durch das ihm zur Last gelegte Verhalten ein außerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen.

Der Beklagte hat durch die unerlaubte Einfuhr von 155 g Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 21,0 g Tetrahydrocannabinol (THC) gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 33, Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG verstoßen. Damit handelte er auch der Pflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG zu ansehens- und vertrauenswürdigem Verhalten zuwider.

Durch das Vorzeigen seines Dienstausweises verstieß der Beklagte zudem gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Nach Zif. 4.7 der Vorschrift über Polizeidienst-, Beschäftigungs- und Dienstausweise, Kriminaldienstmarken (PRdS-P2-6350.1.1/13) sind Ausweise und Kriminaldienstmarken nur für dienstliche Zwecke zu verwenden und dürfen nicht benutzt werden, um private Vorteile zu erlangen. Dadurch handelte er auch eigennützig im Wege eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, da er durch sein Verhalten zumindest den Eindruck erweckte, sich durch den Dienstausweis einen privaten Vorteil verschaffen zu wollen. Dass der Beklagte hierauf seinen – als wahr unterstellten – Angaben in der mündlichen Verhandlung nach nicht abzielte, lässt den Vorwurf nicht entfallen. Dem Beklagten ging es zweifelsfrei darum, als Kollege der Polizei erkannt zu werden, und nahm dabei billigend in Kauf, bei den ihn kontrollierenden Polizeibeamten könnte der Anschein entstehen, durch das Vorzeigen des Dienstausweises eine Relevanz in Bezug auf die Fahrzeugkontrolle bewirken zu wollen.

Das Dienstvergehen wiegt derart schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten eingetreten ist. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG kommt keine andere Maßnahme als die Höchstmaßnahme in Betracht.

Der Maßnahmebemessung liegen dabei die in Art. 14 BayDG genannten und in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (…) bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG (…) entwickelten Kriterien zugrunde. Erster Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist die Schwere des Dienstvergehens, wobei von der schwersten Dienstpflichtverletzung auszugehen ist, vorliegend somit der strafbaren unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln.

Angesichts des Strafrahmens, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei außerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen durch die gesetzgeberische Wertung zum Unwert des Verhaltens einen Orientierungsrahmen entfaltet (…), ist mit einer Strafandrohung auch im minder schweren Fall des § 30 Abs. 2 BtMG mit drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ein Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme eröffnet (…). Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (…). Bei Polizeivollzugsbeamten gilt dies in besonderer Weise aufgrund ihrer Kernaufgabe der präventiven Verhütung sowie repressiven Verfolgung von Straftaten. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sind dabei besonders geeignet, die Vertrauenswürdigkeit in außerordentlicher Weise zu beeinträchtigen (…). Für die disziplinare Bewertung des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz  ist das Anliegen des Gesetzgebers von erheblicher Bedeutung, mit diesem Gesetz den schädlichen Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so Gefahren von Einzelnen und der Allgemeinheit abzuwehren.

Ein Beamter, der außerhalb des Dienstes gegen Strafvorschriften verstößt, die solch wichtige Gemeinschaftsbelange schützen und damit einem bedeutsamen staatlichen Anliegen dienen sollen, missachtet insoweit wichtige Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung und offenbart eine grob sozialschädliche Haltung. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist deshalb in besonderem Maße geeignet, die dem Beamten zukommende Achtung und seine dienstliche Vertrauenswürdigkeit in außerordentlicher Weise zu beeinträchtigen. Im Fall eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geht die Rechtsprechung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme davon aus, dass der Beamte, der den staatlichen Zielen, den Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so unabsehbare Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit abzuwehren, zuwiderhandelt, eine grob rücksichtslose Haltung gegenüber der Allgemeinheit offenbart (…).

Indiziell kann zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden, bei der schließlich der jeweilige Einzelfall bereits tatrichterlich aus strafrechtlicher Sicht gewürdigt wurde. (…) Die vorliegende Verurteilung zu acht Monaten Freiheitsstrafe legt dabei nahe, von einer derart schweren Dienstpflichtverletzung auszugehen, dass die Höchstmaßnahme in Betracht kommt, ist eine solche Freiheitsstrafe bei einem Ersttäter doch gerade nicht mehr am unteren Rande strafrechtlicher Ahndung anzusiedeln. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass strafrechtlich ein minder schwerer Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG bejaht wurde. (…)

Bei der darüber hinaus gebotenen Betrachtung der Umstände des Einzelfalls verkennt das Gericht nicht, dass dem Beklagten (nur) ein einmaliges strafrechtlich relevantes Verhalten bei der Drogenbeschaffung zur Last gelegt wird und der Beklagte sog. weiche Drogen zum Zweck des Eigenbedarfs eingeführt hat.

Dabei fällt der Aspekt der Beschaffung zum Eigenbedarf zur Selbstmedikation wegen Migräneattacken mildernd, jedoch nicht durchgreifend ins Gewicht. Erschwerend ist zur Überzeugung der Kammer zudem zu werten, dass der Beklagte bei der Polizeikontrolle seinen Dienstausweis vorzeigte. Auch wenn er sich – seinen als wahr unterstellten – Angaben nach keinen Vorteil verschaffen wollte, hat er dennoch einen entsprechenden Anschein gesetzt und bewusst seinen dienstlichen Status in das außerdienstliche Verhalten einfließen lassen. Wird damit die Dienstpflichtverletzung auch noch nicht zur innerdienstlichen i. S. v. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, stellt dies jedoch einen erschwerenden Gesichtspunkt dar.

Ein Polizist, der bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen seine beamtenrechtliche Stellung absichtlich offenbart, schädigt das Ansehen noch nachhaltiger. Nicht mehr ins Gewicht fällt insoweit die damit verbundene eigenständige Dienstpflichtverletzung beim Vorzeigen des Dienstausweises durch den Verstoß gegen die Vorschriften über die Verwendung des Dienstausweises. Dem stehen keine derart gewichtigen Milderungsgründe gegenüber, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme und die Annahme eines noch verbleibenden Vertrauens in den Beamten mit sich brächten.

Über die bislang in der Rechtsprechung anerkannten typisierten Milderungsgründe hinaus bedarf es auch hier einer Würdigung der jeweiligen be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und würde eine allein typisierende Betrachtungsweise zu kurz greifen. Vielmehr dürfen entlastende Gesichtspunkte nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines „anerkannten“ Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen – im Zusammenwirken mit anderen Umständen – zu erfüllen (…). Das Bundesverwaltungsgericht führt insoweit aus, die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichen. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden.

Zwar ist der Beklagte weder strafrechtlich noch disziplinarisch vorbelastet. Auch das Persönlichkeitsbild, das den Beklagten als loyalen und stets um gute Arbeitsleistung bemühten Polizeibeamten beschreibt, ist positiv zu werten. Diese Umstände stellen aber ein normales Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar. Sie sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens so abzumildern, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden kann. Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (…).

Schließlich hat der Beklagte mit erheblicher Beschaffungsenergie durch sein strafbares Verhalten im Bereich des Betäubungsmittelrechts – wenngleich außerdienstlich – im Rahmen seiner Pflichten versagt und dabei von sich aus durch das Zeigen des Dienstausweises einen Bezug zum Statusamt als Polizist herbeigeführt. Eine Verknüpfung von strafbarem Verhalten im Betäubungsmittelrecht mit dem Amt eines Polizisten führt jedoch zu erheblicher Ansehensschädigung. Die gefestigte Konsumneigung des Beklagten kann dabei – entgegen der Ausführungen des Beklagtenbevollmächtigten, der Beklagte habe unter Suchteinfluss gehandelt – nicht mildernd berücksichtigt werden. Der erhebliche Beschaffungsaufwand steht der Annahme eines suchtbeeinflussten Handelns bei Gelegenheit und einer Art Augenblicksversagen entgegen.

Auch die erfolgreiche Drogentherapie mit dem aktuellen Negativnachweis ist nicht hinreichend, um gegenüber der erheblichen Ansehensschädigung und dem Vertrauensverlust derart mildernde Wirkung zu entfalten, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Je schwerwiegender eine Dienstpflichtverletzung ist, umso gewichtiger muss der Milderungsgrund sein. Dem genügt die Therapie nicht. Letztlich ist auch die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht geeignet, sich durchgreifend mildernd auszuwirken. (…)

 

Entnommen aus NPA, 10/2022, Lz. 233