Rechtsprechung Bayern

Vergaberecht: Wann ist der Auftraggeber verpflichtet, das Leistungsversprechen zu überprüfen?

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Mit der Frage, wann ein öffentlicher Auftraggeber dazu verpflichtet ist, ein Vergabeverfahren zu überprüfen, befasste sich die Vergabekammer Südbayern (VK) in ihrem unten vermerkten Beschluss vom 30.05.2022. Sie hat zur Entscheidung folgende Leitsätze formuliert:

„1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, im Vergabeverfahren zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden; vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen.[1]

2. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Antragsgegner den Auftragsgegenstand in den Vergabeunterlagen in weiten Teilen funktional über zu lösende Aufgaben beschrieben hat.

3. Hat sich ein Bieter allerdings auf eine Ausführungsvariante festgelegt und bringt ein Mitbewerber gegen diese Art der Ausführung konkrete, substantiierte und auf den Einzelfall bezogene Einwände vor, die das Leistungsversprechen dieses Bieters als zweifelhaft erscheinen lassen, muss der öffentliche Auftraggeber bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen des Bieters effektiv zu verifizieren.[2]

4. Der öffentliche Auftraggeber ist in der Wahl seiner Überprüfungsmittel grundsätzlich frei und nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein.“[3]

Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 30.5.2022 – 3194.Z3-3_01-21-61

 

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern 6/2023, Rn. 56.

[1] Vgl. dazu BayObLG, Beschluss vom 9.11.2021, Verg 5/21 und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.1.2020 – Verg 20/19.

[2] Vgl. dazu BayObLG, Beschluss vom 3.6.2022 – Verg 7/22: Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die an den Angaben des Bieters Zweifel wecken könnten, verpflichten den Auftraggeber zu einer Überprüfung der Angaben. Ebenso VK Sachsen, Beschluss vom 15.3.2022 –1/SVK/001-22.

[3] Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.1.2020 – Verg 20/19, siehe auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.7.2022 (11 Verg 4/22): „Die Durchführung einer Preisprüfung erfolgt vergabefehlerfrei, wenn das Angebot des Bieters 16 % von dem nächsthöheren Angebot abweicht, weit unterhalb der Kostenschätzung des Auftraggebers liegt und der Bieter selbst den Preis seines ersten Angebots mit seinem finalen Angebot erheblich (60 %) unterschreitet.“