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Fahrerlaubnisentzug nach Fahrt mit einem E-Scooter unter Cannabiswirkung

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Der Antragsteller wendet sich in diesem Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Durch Mitteilung erhielt das Landratsamt Kenntnis davon, dass der Antragsteller mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) unter der Wirkung eines berauschenden Mittels am Straßenverkehr teilgenommen hat.

§§ 11, 14, 46 FeV; Anlage 4 Nr. 9.2.2 (Entziehung der Fahrerlaubnis; Fahrt mit einem E-Scooter unter der Wirkung von Cannabis; gelegentlicher Cannabiskonsum; medizinisch-psychologische Untersuchung; Nichtbeibringung des Fahreignungsgutachtens)

Amtlicher Leitsatz

Eine Fahrt mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) unter der Wirkung von Cannabis kann Zweifel auch hinsichtlich der Fahreignung für fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge begründen und die darauf bezogene Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertigen.

BayVGH, Beschluss vom 15.03.2023, 11 CS 23.44[1]

Zum Sachverhalt

Der 2002 geborene Antragsteller wendet sich in diesem Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis (Klasse B einschließlich Unterklassen). Durch Mitteilung der Verkehrspolizeiinspektion M vom 14. März 2022 erhielt das Landratsamt K, Fahrerlaubnisbehörde, Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 29. Oktober 2021 mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) unter der Wirkung eines berauschenden Mittels (Cannabis) am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 10. Februar 2022 zufolge wurden bei der entnommenen Blutprobe folgende Werte festgestellt: Tetrahydrocannabinol (THC) 2,5 ng/ ml, Hydroxy-THC ca. 0,78 ng/ml, THC-Carbonsäure 33 ng/ml. Im polizeilichen Bericht vom Tattag wird unter anderem ausgeführt, der Antragsteller habe nach erfolgter Belehrung angegeben, regelmäßig Marihuana zu konsumieren.

Zuletzt habe er vor zwei Tagen zwei Joints geraucht. Die Ordnungswidrigkeit wurde mit einem Bußgeld und einem Fahrverbot geahndet (Bußgeldbescheid vom 05.05.2022, rechtskräftig seit 18.08.2022). Mit Schreiben vom 10. Mai und vom 10. Juni 2022 kündigte das Landratsamt dem Antragsteller die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Mit Schreiben vom 4. August 2022 ordnete das Landratsamt die Beibringung eines solchen Gutachtens bis zum 4. November 2022 zur Klärung der Fragen an, ob der Antragsteller trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss geeignet sei zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, zum Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge und zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme).

Dieses Gutachten brachte der Antragsteller nicht bei. Mit Schreiben vom 10. November 2022 erteilte der Landkreis D dem Landratsamt K aufgrund eines Umzugs des Antragstellers nach S am 1. Oktober 2022 die Zustimmung zum Abschluss des Verfahrens. Nach Anhörung mit Schreiben vom 10. November 2022 entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 24. November 2022 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur Abgabe des Führerscheins.

Aus der Weigerung zur Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens dürfe auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag (11 CS 23.59) untersagte das Landratsamt dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs das Führen fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge. Über die gegen beide Bescheide erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht B noch nicht entschieden.

Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 abgelehnt.

 

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern 11/2023, S. 368.

[1] Die Straßenverkehrsbehörde hatte dem Antragsteller nicht nur die Fahrerlaubis entzogen, sondern auch das Führen sämtlicher fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge untersagt. Mit B.v. 15.03.2023 – 11 CS 23.59 hat der BayVGH hierzu entschieden, dass die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) unter der Wirkung von Cannabis, die den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG erfüllt, Zweifel hinsichtlich der Fahreignung nur für Kraftfahrzeuge begründet, nicht aber für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind (insbesondere Fahrräder), und daher auch keine auf solche Fahrzeuge bezogene Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertigen kann.