Rechtsprechung Bayern

Verstoß gegen Mitwirkungspflichten bei Reaktivierungsmaßnahmen

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Nach Feststellung der Dienstunfähigkeit gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG wurde eine Beamtin mit Ablauf des 31.05.2017 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Im Zuge der Durchführung einer Disziplinarklage wurde das Ruhegehalt um 1/20 für die Dauer von fünf Jahren nach Art. 12 BayDG gekürzt, nachdem sich die Beklagte seit vier Jahren der Mitwirkung an einer Reaktivierungsuntersuchung entzog und damit gegen ihre beamtenrechtlichen Pflichten verstieß.

Sachverhalt

Im Zuge der Durchführung einer Disziplinarklage wurde das Ruhegehalt um 1/20 für die Dauer von fünf Jahren nach Art. 12 BayDG gekürzt, nachdem sich die Beklagte seit vier Jahren der Mitwirkung an einer Reaktivierungsuntersuchung entzog.

BeamtStG – §§ 29, 47

BayBG – Art. 77

BayBeamtVG – Art. 81

BayDG – Art. 12

Durch eine andauernde Nichtmitwirkung im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Reaktivierung, indem trotz mehrfacher Aufforderung des Dienstherrn weder eine Schweigepflichtentbindung, aktuelle Befundberichte oder auch nur eine eigene Einschätzung der Gesundheit abgegeben werden, verstößt die Beklagte gegen ihre beamtenrechtlichen Pflichten.

Verwaltungsgericht München (Urt. v. 20.12.2022 – M 13L DK 22.3388 – Verlags-Archiv Nr. 2023-06-03)

Aus den Gründen

Der Beklagten wird in der Disziplinarklage folgendes zur Last gelegt: „Mit Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom 17.02.2017 wurde bei der Beklagten die dauernde Dienstunfähigkeit gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG festgestellt. Infolgedessen wurde sie mit Ablauf des 31.05.2017 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.“

Da im vorzeitigen Ruhestand die Möglichkeit einer Reaktivierung (§ 29 BeamtStG) in regelmäßigen Abständen durch den Dienstherrn zu prüfen ist, wurde die Beklagte mit Schreiben P2/3 – … vom 23.01.2019 an die Adresse … gebeten, aktuelle Befundberichte bzw. eine Schweigepflichtentbindung sowie eine Selbstauskunft über ihren derzeitigen Krankheitszustand zu übersenden. Es erfolgte keinerlei Rückmeldung.

Im Folgenden wurde mehrfach versucht, Schreiben mit Zustellnachweis an die immer wieder wechselnden Aufenthaltsorte der Beklagten zuzustellen, welche jeweils mit dem Vermerk „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ oder „Empfänger unbekannt“ zurückgeschickt wurden: Durch die andauernde Nichtmitwirkung der Beklagten im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Reaktivierung, indem sie trotz mehrfacher Aufforderung ihres Dienstherrn weder eine Schweigepflichtentbindung, aktuelle Befundberichte oder auch nur eine eigene Einschätzung ihrer Gesundheit abgibt, verstößt die Beklagte gegen ihre beamtenrechtlichen Pflichten gemäß § 47 Abs. 2 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) i. V. m. Art. 77 Nr. 2 Bayerisches Beamtengesetz i. V. m. § 29 Abs. 4, 5 BeamtStG, Abschnitt 8 Zif. 1.6.1. der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht 2030-F (VV-BeamtR).

Soweit infolge der Mitwirkungspflichtverletzung bereits eine Verlustfeststellung der Versorgungsbezüge nach Art. 81 Satz 1 und Satz 2 BayBeamtVG erfolgt ist, steht eine disziplinarische Ahndung dem gemäß Art. 81 Satz 3 BayBeamtVG ausdrücklich nicht entgegen.

Die Beklagte handelt schuldhaft. Nachdem zumindest einzelne Zustellungen der Schreiben des Dienstherrn ausweislich Postzustellungsurkunden erfolgreich waren, ist mangels anderweitiger Erkenntnisse davon auszugehen, dass die Beklagte auch Kenntnis von der von ihr eingeforderten Mitwirkung sowie des gegen sie eingeleiteten Disziplinarverfahrens hat. Dennoch kam sie bislang ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach.

Das andauernde Dienstvergehen der Beklagten wiegt zwar schwer i. S. v. Art. 14 BayDG, sodass die mögliche Kürzungsdauer des Art. 12 BayDG auszuschöpfen ist. Eine Aberkennung des Ruhegehalts i. S. v. Art. 13 BayDG wäre jedoch noch unverhältnismäßig.

Die Mitwirkung an der Feststellung einer fortdauernden Dienstunfähigkeit stellt sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Disziplinarbehörde durchaus als eine Kernpflicht eines Beamten im vorzeitigen Ruhestand dar. Schließlich wird (erst) durch eine Mitwirkung die Reaktivierung ermöglicht, wenn der Ruhestandsbeamte nicht mehr dienstunfähig sein sollte. Das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten wiegt insoweit schwer.

Schließlich erschwert die Beklagte durch ihr pflichtwidriges Verhalten in erheblicher Weise die anstehende Überprüfung der Dienst(un)fähigkeit der Beklagten. Diese erfolgt schließlich nicht ins Blaue hinein, nachdem in dem der Ruhestandsversetzung zugrundeliegenden Gesundheitszeugnis auf eine solche Überprüfung nach Angaben der Disziplinarbehörde hingewiesen wurde. Allerdings hat der Dienstherr vorliegend noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, indem er bislang keine polizei- oder amtsärztliche Untersuchung zum Zwecke der Überprüfung der Dienst(un)fähigkeit der Beklagten auf der Grundlage des der Ruhestandsversetzung zugrundeliegenden Gesundheitszeugnisses angeordnet hat.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die im Übrigen (nur) mögliche Kürzung des Ruhegehalts faktisch keine finanziellen Auswirkungen bei der Beklagten hat, nachdem sie bereits ihrer Versorgungsbezüge gemäß Art. 81 BayBeamtVG verlustig ist.

Dennoch sieht das Gericht vorliegend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts im höchstzulässigen Umfang als vor der Verhängung der Höchstmaßnahme noch gebotene deutliche und letztmalige Pflichtenmahnung an – zumal der Dienstherr auch noch nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft hat (siehe zuvor). Zudem ist bei fortdauernden Dienstpflichtverletzungen im Bereich von Weisungs- oder Mitwirkungspflichtverstößen – insbesondere bei disziplinarisch und strafrechtlich nicht vorbelasteten – Beamten in besonderem Maße zu prüfen, ob nicht frühzeitig zur Pflichtenmahnung eine niedrigere Disziplinarmaßnahme im Wege einer Disziplinarverfügung zu verhängen ist, bevor auf die Höchstmaßnahme erkannt wird.

Eine Kürzung des Ruhegehalts erweist sich daher als derzeit (noch) verhältnismäßige Disziplinarmaßnahme.

 

Entnommen aus dem Neuen Polizeiarchiv 6/2023, Lz. 233/1.