Rechtsprechung Bayern

Bundesfernstraßen sind nicht generell versammlungsfreier Raum

© Carola Vahldiek – stock.adobe.com

Eine geplante Versammlung in Form einer Abseilaktion von einer Brücke sowie eines Fahrradkorsos auf der Bundesautobahn A9 wurden verboten und nicht angezeigte Ersatzversammlungen auf Bundesstraßen und Autobahnen untersagt. Hiergegen klagte der Versammlungsinitiator vor dem Bayerischen Gerichtshof.

Art. 15, 25 BayVersG; Art. 8 GG (Versammlung; Bundesautobahn; Brücke, Abseilaktion; Fahrradkorso; Gefahrenprognose)

Nichtamtliche Leitsätze
  1. Auch Bundesfernstraßen sind nicht generell ein „versammlungsfreier Raum“. Die Einstufung einer Straße als Bundesautobahn oder Bundesstraße entscheidet nicht darüber, ob auf dieser Straße grundsätzlich eine Versammlung stattfinden darf, und entbindet Versammlungsbehörden und Gerichte nicht von einer Güterabwägung. Sie entfaltet allenfalls Indizwirkung für das Gewicht der gegen eine Versammlung sprechenden Interessen der Öffentlichkeit oder Dritter.
  2. Zwar sind mit jedweder auch nur kurzfristigen Inanspruchnahme einer Autobahn für eine Versammlung notwendigerweise umfangreichere Sicherungsmaßnahmen und nicht unerhebliche Verkehrsbehinderungen verbunden. Jedoch gehören Verkehrsbehinderungen und Staubildungen auf Autobahnen zu den üblichen, mit polizeilichen und straßenverkehrsrechtlichen Mitteln grundsätzlich zu beherrschenden Erscheinungen.
  3. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen oder eines Versammlungsverbots keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. 4. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Beschränkung liegt grundsätzlich bei der Behörde.

BayVGH, Beschluss vom 24.03.2023, 10 CS 23.575

Zum Sachverhalt

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. März 2023 anzuordnen, mit der diese die von ihm zuletzt für Sonntag, den 26. März 2023, um 12.00 Uhr anzeigte Versammlung im Wesentlichen in Form einer Abseilaktion von einer Brücke über die BundesautobahnA9 sowie eines Fahrradkorsos auf einem Teilstück am Ende der Bundesautobahn A9 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin verboten, nicht angezeigte Ersatzversammlungen auf Bundesstraßen und Autobahnen untersagt und ihm aufgegeben hat, hierüber rechtzeitig vor Versammlungsbeginn zu informieren.

Die von dem Antragsteller angezeigte Versammlung steht unter dem Thema „Verkehrswende jetzt! Keine weitere Autobahn! Freispruch für IAA- und Klimaproteste! Spruchbänder an Autobahnbrücken sind kein Verbrechen – Autobahnen schon! Handeln gegen immer mehr Autos und Straßen statt Verbote dagegen protestierender Versammlungen!“ und umfasst eine stationäre Versammlung auf der Fußgängerbrücke zwischen derW1-Straße und der G-Straße, welche kurz vor dem Ende der A9 im Stadtgebiet und der Ausfahrt München- Schwabing über die A9 führt, samt einer Abseilaktion, sowie einen Fahrradkorso auf der A9. Der Fahrradkorso soll vom Treffpunkt bei der W2-Straße neben der Fußgängerbrücke zur S1-Straße, von dort auf die A9 bis zur Nordseite der Fußgängerbrücke und wieder zurück führen.

In der Anzeige wurden circa 30 bis 100 gleichzeitig teilnehmende Personen angegeben. Mit Beschluss vom 23.März 2023 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt (zugestellt am 24.03.2023 um 8:30 Uhr).

 

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern 13/2023, S. 447.

Die Bayerischen Verwaltungsblätter finden Sie auch im neuen Online-Portal.