In seinem unten vermerkten Beschluss vom 21.06.2022 hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit der Frage einer Entschädigung wegen Eigentumsbeschränkungen aufgrund besonderer Anforderungen in einer Wasserschutzgebietsverordnung befasst.
Die Anspruchssteller und Kläger sind Miteigentümer eines mit einem Hotelgebäude bebauten Grundstückskomplexes im Ostallgäu. Dieser liegt auch in der engeren Schutzzone eines festgesetzten Wasserschutzgebiets.
Das Entschädigungsbegehren der Kläger lehnte das Landratsamt ab. Es fehle an einem vorherigen Antrag auf Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2, 3 WHG. Darüber hinaus greife das Bauverbot nach der Wasserschutzgebietsverordnung (WSG-VO) nicht durch, weil das Erweiterungsvorhaben bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig sei.
Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab, weil eine unzumutbare Eigentumsbeschränkung nicht vorliege. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb vor dem VGH erfolglos. Dem ablehnenden Beschluss des VGH kann Folgendes entnommen werden:
1. § 52 Abs. 4 WHG stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar
„Das Verwaltungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu der Auffassung gelangt, dass ein Entschädigungsanspruch nach § 52Abs. 4WHGin aller Regel – so auch hier – einen vorherigen erfolglosen Antrag auf Erteilung einer Befreiung von den Verboten nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG i.V.m. § 4 Abs. 1WSG-VO voraussetzt…
Nach § 52 Abs. 4 WHG ist eine Entschädigung zu leisten, soweit eine Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 das Eigentum unzumutbar beschränkt und diese Beschränkung nicht durch eine Befreiung nach Absatz 1 Satz 3 oder andere Maßnahmen vermieden oder ausgeglichen werden kann. Die Regelung in Absatz 4, die als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen ist, führt den früheren § 19 Abs. 3 Halbsatz 1 WHG unter Berücksichtigung der zu § 52 Abs. 1 Satz 3WHG ergangenen neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts fort (vgl. BT-Drs. 16/12275 S. 67). Ihr liegt zu Grunde, dass Nutzungsbeschränkungen in Schutzgebieten als Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen müssen; soweit derartige Beschränkungen das Eigentum unzumutbar beeinträchtigen, kommt eine finanzielle Entschädigung nur in Betracht, wenn Vorkehrungen zur realen Vermeidung der Belastung ausscheiden …
Dementsprechend hat die zuständige Behörde – hier das Landratsamt – nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG eine Befreiung von Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten einer Wasserschutzgebietsverordnung (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1WHG) zu erteilen, soweit dies zur Vermeidung unzumutbarer Beschränkungen des Eigentums erforderlich ist und hierdurch der Schutzzweck nicht gefährdet wird.“
2. Der Grundsatz der Realkompensation setzt einen vorherigen erfolglosen Antrag auf Befreiung voraus
„Der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte und vom Bundesgesetzgeber umgesetzte Vorrang der Realkompensation (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2.3.1999 – 1 BvL 7.91 – BVerfGE 100, 226 – juris Leitsatz 2 und Rn. 94) hat zur Folge, dass ein Entschädigungsanspruch nach § 52 Abs. 4 WHG in aller Regel einen erfolglosen Befreiungsantrag des Anspruchsstellers nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG voraussetzt …
Der Befreiung kommt Vorrang vor dem Entschädigungsanspruch zu, weil § 52 Abs. 4 WHG letzteren von einer unzumutbaren Beschränkung des Eigentums abhängig macht, der nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere durch die Gewährung einer Befreiung, abgeholfen werden kann…Ob ein Realausgleich durch Erteilung einer Befreiung erreicht werden kann, ist deshalb vorrangig zu prüfen…
Ist eine Befreiung nur auf Antrag möglich, weil über die Ausnahme von dem Verbot nicht abstrakt-generell für bestimmte Gruppen von Eigentümern, sondern nur durch konkret-individuelle Einzelfallprüfung entschieden werden kann…, bedarf es eines darauf gerichteten vorherigen Antrags des Anspruchsstellers. Diese Auslegung, die sich auf die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 16/12275 S. 67) sowie systematische und teleologische Erwägungen stützt, ist ohne Weiteres mit dem Wortlaut des § 52 Abs. 4 WHG vereinbar.
Der Formulierung ,und diese Beschränkung nicht durch eine Befreiung nach Absatz 1 Satz 3 oder andere Maßnahmen vermieden oder ausgeglichen werden kann‘ ist nicht zu entnehmen, dass es den normbetroffenen Grundstückseigentümern möglich sein muss, eine Entschädigung ohne vorherigen Befreiungsantrag zu beanspruchen. Die tatbestandliche Voraussetzung, dass ein Realausgleich nicht möglich ist …, verhält sich nicht zu der Frage, ob der Eigentumsbetroffene zuvor einen Befreiungsantrag gestellt haben muss.
Dies wird zu § 68 Abs. 1 BNatSchG, dessen Wortlaut insoweit vergleichbar ist (,der nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere durch die Gewährung einer Ausnahme oder Befreiung, abgeholfen werden kann‘), für den Regelfall bejaht …“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 10/2023, Rn. 113.