Im unten vermerkten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 31.3.2022 ging es um eine Rückwirkungsanordnung, die dazu führte, dass zu einem Zeitpunkt vor Entstehung des Verbesserungsaufwands Satzungsrecht in Kraft getreten ist, das bereits um den Verbesserungsaufwand erhöhte Herstellungsbeitragssätze enthält. Der VGH hielt die Anordnung für nichtig, da sie gegen das Vorteils- und Äquivalenzprinzip verstoße.
Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Bescheiden vom 26.2.2014 wurde die Klägerin auf Grundlage der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung des beklagten Zweckverbandes vom 6.3.2013 (VES-WAS), die am 1.4.2013 in Kraft trat, für mehrere in ihrem Eigentum stehende Grundstücke zu Verbesserungsbeiträgen herangezogen. Die Satzung zur Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung vom 15.2.2012 (BGS-WAS), mit der erhöhte Herstellungsbeiträge festgelegt wurden, erließ der Beklagte zum selben Datum. Die technische Abnahme der zeitlich letzten abgerechneten Verbesserungsmaßnahmen erfolgte am 4.9.2014. Während des Widerspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 19.3.2015 eine neue BGS-WAS und eine neue VES-WAS, jeweils mit Rückwirkung zum 1.4.2013. Die von der Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage war in erster Instanz erfolgreich. Das Verwaltungsgericht hielt die BGS-WAS vom 19.3.2015 im Beitragsteil für nichtig, weil sich die veranschlagten Beitragssätze nicht in rechtlich zulässiger Form aus der Globalkalkulation ergeben würden. Während des Verfahrens auf Zulassung der Berufung erließ der Beklagte sodann am 12.12.2016 nochmals eine BGS-WAS und eine VES-WAS jeweils mit Rückwirkung zum 1.4.2013 (§ 16 BGS-WAS und § 11 VES-WAS). Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Der Entscheidung entnehmen wir:
- Bei Entstehen eines Verbesserungsbeitrags muss ein Einrichtungsträger auch über eine Herstellungsbeitragssatzung mit neu kalkulierten Beitragssätzen verfügen
Hierzu wird in der Entscheidung ausgeführt:
„Die angefochtenen Bescheide … sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zum Zeitpunkt des Entstehens eines Verbesserungsbeitrages auf der Grundlage einer Verbesserungsbeitragssatzung mit Benutzbarkeit der verbesserten Einrichtung (vgl. Art. 5 Abs. 5 Satz 3 BayKAG) muss ein Einrichtungsträger nicht nur über eine wirksame Verbesserungsbeitragssatzung, sondern gleichzeitig auch über eine Herstellungsbeitragssatzung mit neu kalkulierten erhöhten Beitragssätzen (für Neuanschließer) verfügen. Anderenfalls liegt weder eine wirksame Verbesserungsbeitragssatzung noch eine wirksame Herstellungsbeitragssatzung vor (BayVGH, Urteil vom 27.2.2003 Az. 23 B 02.1032). Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Verbesserungsmaßnahmen am 4.9.2014 nicht erfüllt.“
- Die rückwirkende Ersetzung eines unwirksamen Beitragsmaßstabs durch einen wirksamen Beitragsmaßstab ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt
Der VGH erläutert insoweit zu den Umständen des konkreten Falles:
„Zur Klärung der Frage, ob die streitgegenständlichen Verbesserungsbeitragsbescheide vom 26.2.2014 auf wirksames Satzungsrecht gestützt werden können, ist auf das Satzungsrecht des Beklagten vom 12.12.2016 abzustellen. Aufgrund der in § 16 der BGS-WAS und in § 11 der VES-WAS angeordneten Rückwirkung des zeitlichen Geltungsbereichs der Normen kommt als Rechtsgrundlage für die Beitragsbescheide vom 26.2.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2015 ausschließlich dieses Satzungsrecht in Betracht. In der vorliegenden Konstellation war es dem Beklagten grundsätzlich nicht verwehrt, durch den Erlass rückwirkenden Satzungsrechts den Verbesserungsbeitragsbescheiden eine Rechtsgrundlage zu verschaffen, da sowohl die Änderungssatzung zur BGS-WAS vom 6.3.2013 mit VES-WAS als auch die die BGS-WAS vom 19.3.2015 mit VES-WAS erheblichen rechtlichen Bedenken unterlagen. Die BGS-WAS und die VES-WAS vom 12.12.2016 passten lediglich die Höhe der Beitragssätze aufgrund einer Neukalkulation an. Die rückwirkende Ersetzung eines unwirksamen Beitragsmaßstabs durch einen wirksamen Beitragsmaßstab ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt. Dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, fehlt die Schutzwürdigkeit, weil die Betroffenen mit der Heranziehung zu einem Beitrag rechnen müssen (BVerwG, Urteil vom 15.4.1983 Az. 8 C 170.81).“
- Erfasst die Rückwirkungsanordnung für die erhöhten Beitragssätze auch einen Zeitraum, in dem der Verbesserungsaufwand noch nicht entstanden war, ist sie unwirksam
Dazu und zu den Auswirkungen auf das konkrete Satzungsrecht heißt es:
„Die Rückwirkungsanordnung in § 16 der BGS-WAS vom 12.12.2016 ist jedoch unwirksam mit der Folge, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Entstehens eines Verbesserungsbeitrages mit Benutzbarkeit der verbesserten Einrichtung weder über eine wirksame Verbesserungsbeitragssatzung noch über eine Herstellungsbeitragssatzung mit neu kalkulierten erhöhten Beitragssätzen verfügte und den streitgegenständlichen Beitragsbescheiden eine wirksame Rechtsgrundlage fehlt. Denn die Rückwirkungsanordnung erfasste nicht nur den Zeitraum ab dem 4.9.2014, zu dem die im Beschrieb der VES-WAS enthaltenen Verbesserungsmaßnahmen alle technisch abgenommen (und damit ,tatsächlich beendet‘) waren, sondern auch einen Zeitraum in der weiter zurückliegenden Vergangenheit, in dem der der Beitragserhebung zugrundeliegende Verbesserungsaufwand mangels Fertigstellung der Maßnahmen noch nicht entstanden war und deshalb im Wege einer (endgültigen) Beitragserhebung weder im Wege der Erhebung von Verbesserungsbeitragsbescheiden auf die Alt-, noch über den Verbesserungsaufwand enthaltende (erhöhte) Herstellungsbeiträge auf Neuanschließer umgelegt werden durfte. Die Rückwirkungsanordnung würde jedoch dazu führen, dass zu einem Zeitpunkt vor Entstehung des Verbesserungsaufwands Satzungsrecht (BGSWAS) in Kraft getreten ist, das bereits um den Verbesserungsaufwand erhöhte/ ergänzte Herstellungsbeitragssätze enthielt. Damit verstößt die Rückwirkungsanordnung gegen das Vorteils- und Äquivalenzprinzip und ist damit nichtig.“
Entnommen aus der GkBay Heft 15/2023, Rn. 138.