Mit seinem unten vermerkten Beschluss vom 22.3.2023 hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit der Heranziehung von Grundstückseigentümern zur Reinigung eines Gehwegs befasst. Im vorliegenden Fall war die Klage der Eigentümer gegen die Pflichtübertragung erfolgreich.
An das bewaldete, unbebaute Grundstück der Kläger grenzt südlich auf einer Länge von ca. 117 m die A.-Straße. Im Westen und Süden reicht der Bebauungszusammenhang unmittelbar an ihr Grundstück bzw. an die A.-Straße heran. In Richtung Osten befinden sich die L.-Straße, einige bebaute und einzelne unbebaute Grundstücke, bevor sich ein Waldgebiet anschließt. Nördlich des Grundstücks liegt ein unbebautes, bewaldetes Grundstück; dieses grenzt im Norden an den M.-Weg, auf dessen gegenüberliegender Straßenseite sich ein Sportgelände mit einer Sporthalle befindet. Dahinter schließt sich weiter nördlich freies Gelände mit den P.-Auen an. Die Klage der Eigentümer gegen die Heranziehung zur Reinigung der A.-Straße hatte in beiden Instanzen Erfolg. Dem Beschluss kann entnommen werden:
1. Abwälzung der Reinigungspflicht nur innerhalb geschlossener Ortslage
„Die Abwälzung der gemeindlichen Reinigungspflicht für öffentliche Gemeindestraßen auf die Anlieger ist nach Art. 51Abs. 4 BayStrWG nur ,innerhalb der geschlossenen Ortslage‘ möglich. Der Begriff der ,geschlossenen Ortslage‘ wird in Art. 4Abs. 1 Satz 2 und 3 BayStrWG definiert als derjenige Teil des Gemeindegebiets, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist; einzelne unbebaute Grundstücke, zur Bebauung ungeeignetes oder ihr entzogenes Gelände oder einseitige Bebauung unterbrechen den Zusammenhang nicht. Es handelt sich um eigenständige straßenrechtliche Begriffe; auf die §§ 29 ff. BauGB ist nicht zurückzugreifen (vgl. BayVGH, Urteil vom 18.8.2016 – 8 B 15.2552 – BayVBl 2017, 451 = juris Rn. 47; Urteil vom 25.2.2009 – 8 B 07.197 – BayVBl 2009, 471 = juris Rn. 19;…)“
2. Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs
„Das Verwaltungsgericht hat seine Würdigung, der Gehweg liege nicht innerhalb geschlossener Ortslage, im Wesentlichen darauf gestützt, dass die sich über eine Länge von ca. 117 m erstreckende Waldfläche auf dem Grundstück … markant und dominant in Erscheinung trete und den sich im Westen anschließenden Bebauungszusammenhang unterbreche. In Richtung Osten setze sich eine geschlossene Bebauung erst mit gewissem Abstand fort. Auch das im Norden des Grundstücks …angrenzende Grundstück …sei unbebaut und bewaldet; bei dem weiter nördlich liegenden Sportgelände handle es sich um eine ,Splitterbebauung‘, die allein keinen Bebauungszusammenhang vermittle …
Der Zulassungsantrag setzt dem entgegen, das Grundstück…sei rundum von Bebauung umschlossen. Östlich und westlich schließe sich weitere Wohnbebauung an. Im Norden umschließe die Sportanlage mit Sporthalle den streitgegenständlichen Bereich und grenze diesen deutlich von den dahinterliegenden P.-Auen ab. Beim Befahren der streitgegenständlichen Straße entstehe – anders als am M.- Weg – zu keinem Zeitpunkt der Eindruck, man befinde sich auf ,freier Strecke‘. Damit kann die Beklagte nicht durchdringen. Mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts, die unbebaute Waldfläche auf Grundstück … unterbreche den Bebauungszusammenhang, weil sie so markant und dominant in Erscheinung trete, dass die geschlossene Bebauung im Westen in den Hintergrund trete, setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander. Auch die Wertung des Erstgerichts, im Osten schließe sich eine geschlossene Bebauung erst mit gewissem Abstand an, weil das Grundstück … nur mit einem kleinen Gebäude unbekannter Nutzung bebaut sei und das Grundstück …, die L.-Straße und das bewaldete Grundstück … ,unbebautes Gelände‘ seien …, zieht er nicht in Zweifel, sondern behauptet nur das Gegenteil (,östlich schließt sich weitere Wohnbebauung an‘).
Soweit die Beklagte einwendet, die Sportstätten – insbesondere die Sporthalle – nördlich des Grundstücks… grenzten den streitgegenständlichen Bereich deutlich von den dahinterliegenden P.-Auen bzw. dem ,freien Gelände‘ ab, setzt sie sich inhaltlich mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander. Aber selbst wenn man dies unterstellt, ergibt sich alleine daraus noch nicht, dass der Bereich des nördlichen Gehwegs der A.- Straße vor dem Grundstück…zusammenhängend bebaut i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayStrWG wäre. Das Sportgelände befindet sich zwar noch innerhalb des räumlichen Umgriffs, der für die weitläufige Betrachtung, ob eine ,geschlossene Ortslage‘ vorliegt, relevant sein kann. Gleichwohl ist für die Beurteilung der Frage, ob am fraglichen Standort der Eindruck herrscht, sich im freien Gelände zu befinden, die Sicht von der Straße her mit Blickrichtung auf die sich in der Nähe befindliche Bebauung entscheidend (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.4.1981 – IV C 41.77 – BVerwGE 62, 143 = juris Rn. 19). Deshalb ist in erster Linie die Gestaltung der Teilflächen entlang der Straße in hinreichender Nähe zu deren Streckenführung ausschlaggebend (vgl. NdsOVG,Urteil vom30.1.2017 – 9 LB 194/16 –KommJur 2017, 105 = juris Rn. 33).
Dazu hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die markant und dominant in Erscheinung tretende Waldfläche auf Grundstück…den Bebauungszusammenhang unterbreche. Diese Wertung kann allein durch Verweisung auf das weiter entfernte Sportgelände nicht in Zweifel gezogen werden, zumal eine hinter einem Waldstück liegende Bebauung regelmäßig schwer einsehbar ist. Mit der Behauptung, beim Befahren der streitgegenständlichen Straße entstehe zu keinem Zeitpunkt der Eindruck, man befinde sich auf ,freier Strecke‘, setzt die Beklagte ihre eigene Sachverhalts- und Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts.“
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.3.2023 – 8 ZB 22.2505
Entnommen aus der Fundstelle Bayern 14/2023, Rn. 166.