Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens gegeben sind, das auf den Erlass eines Bayerischen Radgesetzes sowie die Änderung weiterer Rechtsvorschriften (u. a. des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes) gerichtet ist und insbesondere der Förderung des Radverkehrs sowie der Stärkung des Umweltverbundes und des Fußverkehrs dienen soll. Insgesamt soll bis zum Jahr 2030 der Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen in Bayern auf mindestens 25 Prozent erhöht werden.
Beim Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration wurde am 27. Januar 2023 der Antrag gestellt, ein Volksbegehren unter dem Titel „Radentscheid Bayern“ zuzulassen. Das Staatsministerium hat mitgeteilt, die Initiatoren hätten insgesamt 30 023 Unterschriften eingereicht, wovon 28 934 gültig seien.
Amtliche Leitsätze
- Zur Frage der Zulassung eines Volksbegehrens, das auf den Erlass eines Bayerischen Radgesetzes sowie die Änderung weiterer Rechtsvorschriften gerichtet ist und insbesondere der Förderung des Radverkehrs sowie der Stärkung des Umweltverbundes und des Fußverkehrs dienen soll.
- Der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf ist in Teilen mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar, da dem Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz fehlt.
- a) Die auf der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG beruhenden straßenverkehrsrechtlichen Regelungen des Bundes im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrs-Ordnung stellen weitgehend eine abschließende bundesrechtliche Regelung dar, die die Länder von der Gesetzgebung ausschließt.
- b) Die in Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Art. 10 Abs. 4 und 5 Satz 3, Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 sowie Art. 18 des geplanten Bayerischen Radgesetzes vorgesehenen Bestimmungen unterfallen als straßenverkehrsrechtliche Regelungen der Sperrwirkung des Bundesrechts.
- c) Im Rahmen der Prüfung der Zulassung eines Volksbegehrens scheidet eine bundesrechtskonforme Auslegung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Vorschriften, sofern dadurch der für die Unterzeichner erkennbare sachliche Gehalt der Regelungen geändert würde, aus.
- d) Aus der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG lässt sich keine Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Vorgabe konkreter materiellrechtlicher Kriterien für die Ermessensausübung in Sachbereichen, die abschließend bundesrechtlich geregelt sind, ableiten.
- Ohne die für unzulässig erachteten Vorschriften wäre das mit dem Volksbegehren verfolgte Anliegen in einem grundlegenden Baustein substanziell entwertet. Der verbleibende Inhalt des Gesetzentwurfs ist daher nicht zulassungsfähig.
BayVerfGH, Entscheidung vom 07.06.2023, Vf. 8-IX-23
Entnommen aus den BayVBl Heft 16/2023, S. 547.