Mit seinem unten vermerkten Urteil vom 19.01.2023 hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit einem Normenkontrollantrag gegen eine wasserrechtliche Veränderungssperre für die Sicherung der Neufestsetzung eines Wasserschutzgebiets nach § 86 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) befasst.
Der gestiegene Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung der Gemeinde (Beigeladene) stand im Zusammenhang mit deren Zusage, einem expandierenden ortsansässigen Unternehmen (A. GmbH) den benötigten Mehrbedarf an Wasser für die Herstellung medizinischer Produkte (Kontaktlinsen) bereitzustellen.
Der Antragsteller ist Eigentümer von Grundstücken, die im Geltungsbereich der Verordnung über die Festsetzung einer Veränderungssperre liegen. Er vertritt insbesondere die Auffassung, die Beschaffung von Wasser als Produktionsmittel für Gewerbe und Industrie sei nicht von der kommunalen Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung umfasst. Der VGH hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Dem Urteil kann Folgendes entnommen werden:
1. Voraussetzungen einer wasserrechtlichen Veränderungssperre
„Der Erlass einer Veränderungssperre mit den vorgesehenen Wirkungen … ist nur gerechtfertigt, wenn das Vorhaben im öffentlichen Interesse erforderlich ist (vgl. BT-Drs. 7/888 S. 21 zu § 36a WHG a.F.). Die Veränderungssperre nach § 86 WHG ist ein Instrument zur Sicherung der gemeinnützigen Wassernutzungen. Dazu gehört in erster Linie die Trinkwassergewinnung zum Zweck der eines solchen Vorhabens begründen seinen Vorrang vor konkurrierenden Bodennutzungen.
Durch die Festlegung eines Plangebietes kann dieser Vorrang innerhalb der Frist des § 86 Abs. 3 WHG so lange gesichert werden, bis er in den Beschränkungen einer Wasserschutzgebietsverordnung geregelt wird. Die benötigte Fläche kann damit frühzeitig vor Veränderungen bewahrt werden, die das Vorhaben erschweren oder verteuern könnten. Dieser Gedanke, die darin eingeschlossene Rechtsgüterbewertung und die darauf aufbauende Schrankenbestimmung des Privateigentums im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG erfassen auch die ergänzende Sicherung einer schon bestehenden Wassergewinnungsanlage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.3.1989 – 4 NB 39.88 – DÖV 1989, 771 = juris Rn. 10 ff. zu § 36a WHG a.F.).
Für die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets nach § 51 Abs. 1 WHG bildet das Allgemeininteresse an der öffentlichen Wasserversorgung den rechtfertigenden Grund (vgl. BT-Drs. 2/2072 S. 30); dasselbe gilt für die befristete Sicherung einer hierauf gerichteten Planung auf Grundlage des § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG. Die damit einhergehende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse im Wege der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist bei Beachtung der Eigentumsgarantie nur zulässig, wenn das unter Schutz gestellte Wasservorkommen – auch mengenmäßig – für die öffentliche Wasserversorgung benötigt wird, weil ein entsprechender gegenwärtiger oder künftiger Wasserbedarf der Allgemeinheit besteht, der aus dem Wasservorkommen gedeckt werden soll …“
2. Begriff der öffentlichen Wasserversorgung
„Der Begriff der ,öffentlichen Wasserversorgung‘ wird vom Wasserhaushaltsgesetz nicht definiert, sondern als bekannt vorausgesetzt … Ihre Gewährleistung ist ein gesetzlich ausdrücklich und allein hervorgehobener Belang des Wohls der Allgemeinheit (vgl. § 3 Nr. 10, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WHG; vgl. auch BTDrs. 16/12275 S. 66). Der mit dem Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.7.2009 (BGBl I S. 2585)1) eingefügte § 50 Abs. 1 WHG stellt klar, dass sie der Allgemeinheit dienen muss …
Als öffentliche Aufgabe gehört sie traditionell zum Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG (vgl. BT-Drs. 16/12275 S. 66; BVerfG, Beschluss vom 16.5.1989 – 1 BvR 705/88 – NJW 1990, 1783 = juris Rn. 5) … Die öffentliche Wasserversorgung im Sinn des § 50 Abs. 1 WHG beschränkt sich nicht auf die Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Brauchwasser, sondern umfasst auch eine gewerbliche und industrielle Wasserversorgung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.12.2021 – 7 BN 2.21 – juris Rn. 9; …).
Der im Ortsgebiet der Beigeladenen ansässige … Großabnehmer A. GmbH gehört zum unbestimmten Kreis (,Allgemeinheit‘) der von der öffentlichen Wasserversorgung belieferten Endverbraucher. Dass die von der A. GmbH benötigte Trinkwassermenge (970.000 m3/a im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre bzw. nachfolgend 1.300.000 m3/a …) die Versorgung der sonstigen Verbraucher im Gemeindegebiet der Beigeladenen (ca. 300.000 m3/a) weit übersteigt, führt nicht zu einer Zweckänderung der Wasserversorgungseinrichtung ,als solcher‘ (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 18.8.1987 – Nr. 23 B 85 A. 2655 – BayVBl 1988, 46/47 zu Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO). Die Frage, ob auch eine Wasserversorgung, die wirtschaftlich betrachtet nur von einer Firma in Anspruch genommen wird, eine ,öffentliche‘ darstellen kann, stellt sich deshalb hier nicht …“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 18/2023, Rn. 211.