Dem unten vermerkten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 21.11.2023 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die klagende Gemeinde wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den 3-streifigen Ausbau einer Bundesstraße, welche das Gemeindegebiet der Klägerin durchschneidet. An die bestehende zweistreifige Fahrbahn soll zur Schaffung von Überholabschnitten ein weiterer Fahrstreifen angebaut werden.
Die gefahrenträchtige Einmündung einer Staatsstraße soll zu einer teilplanfreien Anschlussstelle mit Brückenbauwerk über die Bundesstraße umgebaut werden. Zudem soll die Einmündung einer weiteren Straße beseitigt werden.
Mit ihrer Klage rügt die Gemeinde eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts.
Dem Vorhaben fehle die Planrechtfertigung. Für einen dreistreifigen Ausbau bestehe kein Bedarf. Das Vorhaben setze zudem Zwangspunkte, die eine massive Trennung ihrer Ortsteile zur Folge hätten. Bei Bauarbeiten im Wasserschutzgebiet fürchte sie eine Verunreinigung ihres Trinkwassers. Die Einleitung von Oberflächenwasser in den G. …bach verschärfe ein Hochwasserproblem.
Mit der Alternative einer zweistreifigen Erhaltungsmaßnahme mit Kreisverkehr ließe sich das Vorhaben flächen- und kostensparender ausführen. Die Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild und ihre Betroffenheit könnten damit deutlich verringert werden. Die Verkehrssicherheit sei mit Geschwindigkeitsbegrenzungen und der Änderung höhengleicher Einmündungen ausreichend zu erhöhen.
Der VGH wies die Klage als unbegründet ab, seinem Urteil ist Folgendes zu entnehmen:
1. Vorliegen der Planrechtfertigung
„Die Planrechtfertigung ist – ungeachtet der Frage der diesbezüglichen Rügebefugnis einer Gemeinde (offengelassen: BVerwG, Urteil vom 3.11.2020 – 9 A 6.19 – BVerwGE 170, 266 = juris Rn. 12; bejahend: BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 – 4 A 1001.04 – NVwZ 2006, 1055 = juris Rn. 194; BayVGH, Urteil vom 24.9.2021 – 8 A 19.40006 – KommJur 2021, 424 = juris Rn. 29) – entgegen der Auffassung der Klägerin gegeben. Der planfestgestellte dreistreifige Ausbau der B 2 einschließlich des Umbaus des Knotenpunkts mit der St 20. ist vernünftigerweise geboten. Die Planrechtfertigung stellt eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit dar (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.10.2014 – 9 B 29.14 – NVwZ 2015, 79 = juris Rn. 4; Urteil vom 28.11.2017 – 7 A 17.12 – BVerwGE 161, 17 = juris Rn. 47).
Einen solchen planerischen Missgriff stellt das planfestgestellte Vorhaben nicht dar. Es dient den Zielen des § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG, Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Die fehlende Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG) bedeutet keine bindende negative Feststellung, dass dafür kein Bedarf besteht. Denn § 1 Abs. 2 FStrAbG bestimmt die Verbindlichkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung nur positiv. Die Nichtaufnahme in den Bedarfsplan hat im jeweiligen Einzelfall für die Bedarfsfrage allenfalls eine indizielle Bedeutung, bei Ausbauvorhaben vergleichsweise geringen Umfangs – wie hier – nicht einmal diese (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 107; Beschluss vom 12.7.2017 – 9 B 49.16 – juris Rn. 5; B.v. 15.7.2005 – 9 VR 39.04 – juris Rn. 5).
Bei dem planfestgestellten Vorhaben handelt es sich um eine einzelne Verbesserungsmaßnahme im Sinn des § 3 FStrAbG. Der dreistreifige Ausbau der B 2 mit dem Umbau des Knotenpunkts mit der St… verfolgt das Ziel, den derzeitigen und künftigen Verkehr auf der B 2 sicher und reibungslos zu bewältigen …Unfallgefahren sollen reduziert und Störeinflüsse auf den zügig fahrenden Verkehr nahezu vollständig ausgeschlossen werden …
Soweit die Planfeststellungsbehörde den Bedarf für den Straßenausbau auf die Notwendigkeit stützt, gefährliche Einmündungen und Zufahrten, insbesondere die plangleiche Einmündung der St …, umzubauen oder zu beseitigen (zum Unfallgeschehen vgl. …), gesteht die Klägerin dies zu. Im Übrigen legt der Planfeststellungsbeschluss nachvollziehbar dar, dass ein sicheres Überholen langsamer Verkehrsteilnehmer aufgrund der Streckencharakteristik und der hohen Verkehrsbelastung in dem Straßenabschnitt tageszeitlich einen dreistreifigen Ausbau erfordert. Die der Planrechtfertigung zugrunde gelegte Verkehrsprognose 2030 …, wonach die dortige Verkehrsbelastung bis 2030 weiter zunehmen wird, hat die Klägerin nicht erschüttert. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich diesbezüglich allein darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.6.2019 – 9 A 2.18 – BVerwGE 166, 1 = juris Rn. 115). Einen solchen Fehler zeigt die Klägerin nicht auf. Ihre pauschale Behauptung, der Individualverkehr werde in Zukunft abnehmen, ist durch nichts belegt. Der allgemeine Hinweis auf die Einsparziele bei CO2-Emissionen genügt dafür nicht; er lässt auch außer Acht, dass Straßen künftig in zunehmenden Maß durch Elektrofahrzeuge genutzt werden.“
2. Keine Verletzung der Planungshoheit der Gemeinde
„Die Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen erheblich beeinträchtigt … Auch das Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen ist ein schützenswerter kommunaler Belang. Die Planungshoheit kann daher auch betroffen sein, wenn sich ein Fachplanungsvorhaben auf wesentliche Teile von Baugebieten auswirkt, die in Bebauungsplänen ausgewiesen sind … Die Abwägungsentscheidung zum angefochtenen Ausbau der B 2 verletzt die Klägerin, die keine Eigentumsbetroffenheit geltend macht, unter keinem dieser Gesichtspunkte.
Eine konkrete und verfestigte Planung, die das Vorhaben stört, zeigt die Klägerin nicht auf. Der geplante Straßenausbau entzieht auch nicht wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung. Mit einer unbestrittenen Netto- Neuversiegelung von ca. 2,4 ha … wird nur ein ganz geringer Teil ihres Gemeindegebiets (ca. 3.300 ha) neu überbaut. Der Vorhalt, sie selbst sei bei der Ausweisung von Baugebieten zu einer Minimierung der Versiegelung angehalten und müsse hierfür ggf. einen Ausgleich schaffen, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. ,Freihaltebelange‘ unterhalb der dargestellten Schwelle sind durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht geschützt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.2022 – 4 A 7.20 – NVwZ 2022, 978 = juris Rn. 14).
Eine gemeindliche Einrichtung wird planbedingt nicht erheblich beeinträchtigt.
Die örtliche Trinkwasserversorgung der Klägerin steht als Aufgabe der Daseinsvorsorge (vgl. Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO) unter dem Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 83 Abs. 1 BV … Das Interesse einer Gemeinde an einer gesicherten Trinkwasserversorgung in ihrem Gemeindegebiet stellt demgemäß einen beachtlichen öffentlichen Belang dar (vgl. § 50 Abs. 1 WHG; BVerwG, Beschluss vom 29.7.20211) – 4 VR 8.20 – NVwZ 2021, 1536 = juris Rn. 9) …
Die Befürchtung der Klägerin, die Bauarbeiten könnten das von ihr aus Brunnen … geförderte Trinkwasser verunreinigen, ist nicht begründet. Das Wasserwirtschaftsamt hat die wasserwirtschaftlichen Auswirkungen des Vorhabens als amtlicher Sachverständiger geprüft und keine Gefährdung des geförderten Grundwassers erkannt … Soweit die Klägerin bezweifelt, dass die … angeordneten Nebenbestimmungen … – insbesondere die Vorgabe, es dürften keine wassergefährdenden, auswasch- oder auslaugbaren Materialien verwendet werden – tatsächlich eingehalten werden können, kann sie nicht durchdringen. Etwaige Defizite bei der Beachtung der Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses sind eine Frage des Vollzugs und können dessen Rechtmäßigkeit nicht in Zweifel ziehen … Im Übrigen haben die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass die bauzeitliche Behelfsumfahrung in der weiteren Schutzzone des Wasserschutzgebiets unter Einhaltung der Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten (RiStWag) errichtet werden darf … und dass deren Entwässerung über die belebte Oberbodenzone erfolgen kann … Das Vorhaben wirkt sich auch nicht auf wesentliche Teile von Baugebieten der Klägerin aus. Der Verkehrslärmschutz wird voll gewährleistet. Mit den in der Planung vorgesehenen Lärmschutzanlagen (Lärmschutzwälle) werden die Grenzwerte der 16. BImSchV durchgehend eingehalten bzw. unterschritten …“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Fundstelle Bayern 13/2024, Rn. 151.